Über den Europaletten die vergängliche Sandkunst.
Für wenige Tage gab es im Flüchtlingsübergangsheim Hülsenbruch in Altenessen viele bunt leuchtende Porträts von Bewohner*innen, Betreuer*innen wie auch ehrenamtlichen Helfer*innen dieser Einrichtung zu bewundern. Auch Kulturdezernent Andreas Bomheuer war hier mit einem aus Sand gebauten Bild vertreten. Europaletten, die zu einer großen Diagonale im Versammlungsraum knapp unter dem Dach des ehemaligen Bürohauses übereinander gestapelt waren, bildeten die Bühne für diese Kunstwerke.
Alles ist wieder zerstört?
Jetzt aber ist alles verschwunden – bewußt zerstört – die Sandportaits sind in großen Eimern wieder zu gewöhnlichen Sandkörnern geworden, die ihre Geschichte nicht mehr verraten können. Trotzdem bleiben dauerhafte Eindrücke, Gespräche und gemeinsame Arbeitserlebnisse, die eben nicht wie diese Sandportraits von der Zeit verweht werden können.
Zusätzlich gibt es natürlich auch viele, viele Schnappschüsse der mehrere Tage andauernden Kunstaktion und die sorgfältig vorbereiteten Porträtfotos, die als Grundlage der weiter gestalteten Sandbilder dienten.
Every Person has a Face
Unter dem Namen „Partnerschaft im Sand Essen“ konnte hier ein Projekt von Ira Marom und Martin Thaulow, kuratiert von Konstantin Adamopoulos, unter Beteiligung seiner Studenten aus dem Bronnbacher Stipendienprogramm des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft erfolgreich abgeschlossen werden.
Eine derartige Sandbilder-Installation wurde damit 4. Mal in NRW realisiert und ist jetzt Teil eines europäischen Tourneeprojektes namens „Every Person has a Face“.
Projektszenario.
Martin Thaulow (http://www.regfugee.today) baute vor Ort im Flüchtlingsheim ein professionelles Fotostudio auf und bot so allen Projektteilnehmern – gleich ob Flüchtlinge oder andere Interessierte, die Möglichkeit von ihm fotografiert zu werden.
Stufe Eins – das Fotoshooting
Die Ebene des Fotoshootings sollte die erste Begegnung der Teilnehmer*innen bieten, die sich einzeln, aber auch in gemischten Gruppen ablichten lassen können.
Die zweite Ebene umfasste die Errichtung der Sand-Plattform, bei der die Ergebnisse des Foto-Shootings die digitale Ebene und auch das Fotopapier verlassen und durch die Teilnehmer direkt in Sand gedruckt werden.
Durch die von Ira Marom (http://www.sand-media.com) zur Verfügung gestellte Technologie konnten digitale Informationen von den Teilnehmern zu einem flüchtigen Sandbild verwandelt werden.
Pixel werden zu Sandkörnern
Während dieses individuellen künstlerischen Prozesses waren die Teilnehmer*innen außerdem dazu eingeladen, ihre eigene Porträtumgebung zu gestalten, ihre Welt sichtbar zu machen und diese somit mit anderen zu teilen.
Je nachdem, wie intensiv die Farbfotos mit ihrer Spezialfarbe mit leichtem oder starkem Druck auf die Sandmasse aufgesetzt wurden, wurden auch die Sandportraits blasser oder intensiver. Die wesentliche Gestaltungsmöglichkeit war allerdings das Bestreuen dieser Bilder mit verschiedensten Farbpigmenten, die aus feinen Sieben teilweise in Mustern oder in dicker Grundierung über die ursprünglichen Fotos rieseln konnten – natürlich war auch freigestellt, die Fotos mit Strichen im Sand umzugestalten.
Materielle Vergänglichkeit für alle
Dass solche Sandportraits als Synonym von Verletzbarkeit wirken, in der wir alle gleich sind, ist naheliegend. Allerdings sind Flüchtlingsschiksale mit all ihren unkalkulierbaren Zufällen in ganz anderer Dimension Verletzungen ausgesetzt, als wir Einheimischen es uns mit den scheinbaren unumstößlichen Gewißheiten und felsenfesten Sicherheiten vorstellen können. Da ist es gut, zumindest in einem kleinen Kunstraum festzustellen, dass die materielle Vergänglichkeit auch mal alle gleichzeitig treffen kann.
Lust, die Gegenwart zu genießen
Noch wichtiger ist sicherlich, dass hier kein Trauerspiel inszeniert wurde, sondern die Lust, die Gegenwart zu genießen gestärkt wird.
Alle erstellten Sandbilder wurden nebeneinander gesetzt und so zu einem Sandbild-Patchworkteppich zusammengefügt. Geleitet von Konstantin Adamopoulos, assistierten die Student*innen sowohl bei der Fotosession, wie auch bei der Entstehung der Sandbilder und der Errichtung der Sandteppich-Installation.
Bisherige Erfahrungen
Ziel des „Partnerschaft im Sand“ ist immer, im gemeinsamen Tun soziales Verhalten miteinander zu stärken und gleichzeitig öffentliche Zeichen der Zwischen-Menschlichkeit über Essen hinaus auszusenden.
Wie auch bei den vorangegangenen Kunstprojekten dieser „Sandpartnerschaft“ entstanden mit dieser Kunstaktion durch direkten zwischenmenschlichen Kontakt und gemeinschaftliches künstlerisches Arbeiten sicherlich längerfristig wirkende Erlebnisse. Der unmittelbar spürbare Solidaritätsgedanke zwischen den ja oft nicht freiwillig auf engstem Raum miteinander lebenden Flüchtlingen in Form des entstehenden Sandteppichs macht dabei vielleicht auch eine Reihe der fast unvermeidlichen Konflikten leichter lösbar.
Zum Schluß lobend gern noch einmal die Veranstalter & Kooperationspartner, mit denen diese „Partnerschaft in Sand“ ermöglicht wurde:
Diakoniewerk Essen, gemeinnützige Jugend- und Familienhilfe GmbH | „Migration und Flucht“, Kulturbüro Essen; Fachbereich Interkulturelle Orientierung/Kommunales Integrationszentrum der Stadt Essen und die Fördergesellschaft Kultur und Integration gGmbH „refugee camp, a mother and her child“ / printed directly on Sand and painted with pigments © 2015 /Ira Marom
Weitere Informationen: http://www.sand-media.com
Walter Wandtke, Ratsherr, Mitglied im Kulturausschuss der Stadt Essen
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