Witten – ein Vorbild für Essen
Leider ist Essen, die grüne Hauptstadt 2017, bei der intensiven Sammlung und umweltfreundlichen Nutzung von sogenanntem Biomüll und Grünabfällen kein Vorreiter. In diesem Bereich kann Essen von der kleinen Großstadt Witten und dem Ennepe-Ruhrkreis dazulernen. Noch werden Essener Bioabfälle für Kosten von mehreren hunderttausend € zu Entsorgungsanlagen in 50-60 Km entfernte Kommunen gefahren.
Im Gegensatz zu anderen Städten gibt es in unserer Stadt auch keine Anschlusspflicht für die „Braune Tonne“ und so landet hier noch zu viel Bioabfall in der „Grauen Tonne“, deren Inhalt dann kostenträchtig im Karnaper RWE-Müllheizkraftwerk verbrannt wird. Diese Art von „thermischer Verwertung“ insbesondere von Biomüll ist zwar keine abfallpolitische Steinzeit, aber über das Mittelalter kommt Essens Abfallwirtschaft so nicht hinaus.
Grüne Exkusion zur Wittener Biogasanlage
Um zu erleben, wie es erheblich effektiver und umweltfreundlicher gehen kann, besuchten Grüne aus Witten und Essen Mitte Juli die Biogasanlage in Witten.
Im Wittener Gewerbegebiet Bebbelsdorf befindet sich die von der „AHE GmbH“ erbaute und betriebene Anlage. Sie wurde im Mai 2013 eröffnet. Witten war mit der ökologischen Idee, Gas aus Biomüll und Grünabfällen zu gewinnen, ein Trendsetter. Aus Abfall wird über den Zwischenschritt Biogas ein Produkt: Ökostrom. Damit wird ein Beitrag zur Energiewende geleistet und gleichzeitig aus Abfall ein Rohstoff.
Der Geschäftsführer der AHE, Herr Einig, informierte uns ausführlich in den Geschäftsräumen über die Anlage, bevor wir uns selbst die Produktionsabläufe anschauten.
Zahlen und Fakten: Abfallwirtschaft im Ennepe-Ruhrkreis
In der Anlage wird der gesamte über Biotonnen erfasste Abfall des Ennepe-Ruhr-Kreises (25.000 t) und Biomüll aus weiteren Vertragsstädten (ca. 30.000 t) zu Biogas (Methan) vergoren. Das gereinigte Gas (Methan) wird in zwei Blockheizkraftwerken verstromt und der Strom in das Stromnetz der Stadtwerke Witten eingespeist. Mit dem so gewonnenen Strom können ca. 2500 Haushalte versorgt werden. Die Abwärme wird genutzt, um das gesamte Betriebsgelände und den Fermenter zu heizen. Der Fermenter, in dem der Biomüll vergoren wird, benötigt eine gleichmäßige Betriebstemperatur von 55 Grad, um optimal zu arbeiten. Der Produktionsprozess erfolgt rund um die Uhr.
Die Kapazitätsgrenze ist fast erreicht
Die Anlage ist für 60.000 t Biomüll ausgelegt und arbeitet jetzt nahe ihrer Kapazitätsgrenze. Die Investitionskosten der Anlage von 60 Millionen € werden über 15 Jahre abgeschrieben und die Anlage arbeitet mit Gewinn. Der Umsatz der AHE konnte von 23,9 Mio. € im Jahr 2013 auf 34,1, Mio. € 2017 gesteigert werden.
Neben dem Gas zur Stromerzeugung werden Kompost und Flüssigdünger für die Landwirtschaft produziert. Der Flüssigdünger ist hochwertig und hat im Gegensatz zur Gülle eine geringe Nitratbelastung.
Produktionsabläufe in der Biogasanlage
Vor der Fermentierung wird der Biomüll gereinigt. Plastik und Metall werden mechanisch aussortiert. Plastiktüten haben im Biomüll nichts zu suchen. Metall kann zumindest weiter verkauft werden. Mit der Befüllung der Anlage erfolgt die Produktion in einem geschlossenen Kreislauf.
Der Umfang der Gasgewinnung hängt von der Zusammensetzung des Biomülls ab, Grünschnitt ist energetisch weniger ergiebig als Küchenabfälle und Speisereste oder gar Knochen. Im Gegensatz zu Städten, die den Biomüll nur zur Kompostierung nutzen, ist es also hier ausdrücklich erwünscht, dass Essensreste über die Biotonne verwertet werden.
Außerdem ermöglicht ein Gastank als Zwischenspeicher eine Anpassung der Stromerzeugung an den Bedarf. Es kann also je nach Lage mehr oder weniger Strom ins Netz eingespeist werden.
Eine Geruchsbelästigung geht von der Anlage nicht aus. Die Luft innerhalb der Hallen wird gefiltert und ein Luftschleier an den Toren der Hallen sowie ein leichter Unterdruck innerhalb der Hallen verhindern dies. Die Hallen dienen der Lagerung des Biomülls sowie dem ersten Verarbeitungsschritt, der Entfernung von Metall und Plastik.
Mehr Biogasanlagen für die Metropole Ruhr
Der Ennepe-Ruhr Kreis und Witten erzielen bereits jetzt eine Wiederverwertungsquote von ca. 80% des Biomülls, was aber noch als steigerungsfähig betrachtet wird. In der Umwelthauptstadt Essen sind wir von solchen Werten leider noch meilenweit, oder viele zehntausend Tonnen Biomüll entfernt.
Aus Sicht der Grünen ist die Wittener Anlage vorbildlich. Die AHE behauptet zu Recht, hier mit dem grünen Daumen im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu arbeiten. Nicht zufällig wurde der Beschluss zum Bau der Anlage nach der Katastrophe von Fukushima gefällt, wie der Geschäftsführer betont. Atomausstieg, Energiewende und Klimaschutz sind starke Argumente, die für solche Biogasanlagen sprechen.
Für viele Städte des Ruhrgebiets läge im Betrieb einer Biogasvergärungsanlage über die vielerorts betriebene Kompostierung hinaus eine Chance, mehr aus Bioabfällen zu machen und die eigenen Einnahmen zu steigern. Die Essener Grünen planen, entsprechende Initiativen zur wirtschaftlich und ökologisch sinnvolleren Behandlung des Bioabfalls in Essen zu starten.
Essener Abfallwirtschaftskonzept als Armutszeugnis
Der grüne Ratsherr Rolf Fliß kritisierte im Stadtrat bereits im November 2014 vor der Verabschiedung des noch bis Ende 2019 gültigen Essener Abfallwirtschaftskonzept:
„Die Inhalte des … kommunalen Abfallwirtschaftskonzeptes sind eine umweltpolitische Bankrotterklärung der großen Koalition. SPD und CDU machen Abfallpolitik nur noch mit dem Geldbeutel. Abfallvermeidung und eine ökologische Abfallverwertung bleiben reine Lippenbekenntnisse. Hauptsache die Müllverbrennungsanlage wird mit möglichst großen Müllmengen ausgelastet. Dabei wird ein Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie konstruiert, der gar nicht besteht. Denn Abfallvermeidung spart Geld und mit getrennt erfassten Wertstoffen lassen sich gute Erlöse erzielen. …
Die Anregungen aus der Essener Bewerbung zur grünen Hauptstadt Europas wie das Vorantreiben der Eigenkompostierung, der Ausbau des Netzes von Recyclingstationen und eine verstärkte Erfassung von Elektro- und Elektronikaltgeräten werden ignoriert.“
Vergärungs- und Kompostierungsanlage auch für Essen!
Jetzt geht es Grünen und anderen um die Vorarbeiten des Essener Abfallwirtschaftskonzepts für das nächste Jahrzehnt. Unsere Stadt muss ebenfalls in eine Vergärungs- und Kompostierungsanlage vorsieht. Ohne politischen Druck wird so eine Investition aber nicht zustande kommen, denn aktuell sind die Millionenbeträge, die jährlich aus den Gewinnen der Essener Entsorgungsbetriebe in die Stadtkasse fließen wohl wichtiger, als ökologische Abfallwirtschaft. Solche Gewinne könnten stattdessen auch die Basis für Investitionen in eine vergleichbare Anlage wie in Witten sein.
Ob Essen das dann alleine oder besser gemeinsam mit Nachbarkommunen stemmt, die Investitionen über die EBE oder die Stadtwerke vorantreibt, vielleicht n einer neuen Gesellschaft oder wie bisher mit einem privatwirtschaftlichen Partner, wäre dann die zweite Frage.
Die grüne Hauptstadt Essen hat im Fach ökologische Abfallwirtschaft deutlichen Nachhol- und Investitionsbedarf.
Joachim Drell/Walter Wandtke
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