Josef Terboven

Verdiente Ehrung für 100 Jahre Volkshochschule in Essen – leider mit rostigem Flecken

Stahlbucheintragung für die VHS ist ein historisch falsches Signal.

Nach 100 Jahren kritisch-kreativer Bildungsarbeit hatten sich Essener Volkshochschule, ihre Mitarbeiter- wie Schüler*innen einen Festakt in der Lichtburg redlich verdient. Dank des Stadtratsbeschlusses von 1919 konnte unsere VHS bereits Monate vor den neuen demokratischen Bildungsgesetzen der Weimarer und preußischen Verfassung ihre Arbeit aufnehmen. Dem vorbildlichen Schulstart angemessen, trat Oberbürgermeister Kufen am Sonntag mit schwerer Amtskette und NRW-Bildungsstaatssekretär Kaiser, wie auch Prof. Michael Schemmann mit Laudatien der Bildungsaufbrüche in der Essener VHS auf die Bühne.

Kulturhonoratior*innen sagen Danke für 100 Jahre Volkshochschulbildung – ohne Stahlbucheintrag ein noch schönerer Festakt

Dass neben langen Reden mit der Film- und Musikpremiere „100 Jahre im Licht“ von Professorin Cindy Gates und Loy Wesselburg die VHS-Geschichte auch Die künstlerisch bearbeitet wird, um so besser.

Die Nazi-Erfindung kann nicht der VHS Ehrung dienen

Der leider ebenfalls in der Lichtburg zelebrierte Stahlbucheintrag, hier durch den Staatssekretär, aber kann keine Ehrung demokratischer Volkshochschulgeschichte sein. Bereits der frühere sozialdemokratische Essener Kulturdezernent Dr. Wilhelm Godde, zuvor Leiter der VHS und langjähriger Weggefährte von Gustav Heinemann, hatte sich bereits in einem im Jahre 2000 erschienenen Buchaufsatz (Vorwort Alt-OB Dr. Wolfgang Reiniger) darüber beschwert, dass Essen weiterhin der martialischen Stahlbucherfindung von Theodor Reismann-Grone huldigt. Anfang der zweitausender Jahre scheiterten ebenso Versuche der grünen Ratsfraktion, das Stahlbuch künftig in eine Geschichtvitrine zu verbannen und durch eine bessere neue Tradition abzulösen an schwarz-roten Mehrheiten für das liebgewonnene „Alleinstellungsmerkmal“ aus der Nazi-Zeit..

Stahlbuch = Nazi Propaganda Coup von 1934 bis ?

Stahlcover des Stahlbuchs von 1934 – hier als Foto hinter einer Glasscheibe

Reismann-Grone, dieser OB von NSDAP-Gnaden hatte kurz nach Amtsantritt bereits im Juli 1933 die VHS aus politischen Gründen geschlossen.
Das neue Stadtoberhaupt nutzt dann 1934 die Hochzeit von Josef Terboven unter Anwesenheit Adolf Hitlers und Hermann Görings und weiterer Nazi-Prominenz zum Propaganda-Coup. Als gegenüber der heutigen VHS in der Münsterkirche mit höchster Sicherheitsstufe die Hochzeit des Essener Gauleiters, und im II. Weltkrieg auch Reichskommissars für Norwegen, Josef Terboven zu feiern ist, wird mit den entsprechenden Unterschriften die Stahlbuch-Tradition begründet.

Adolf Hitler und Hermann Görings Unterschriften geben 1934 den bewußt gewählten Auftakt zum Stahlbuch, nicht etwa 1953 der demokratisch gewählte Bundespräsident Theodor Heuss mit seiner ersten Nachkriegsunterschrift

Andauernde Peinlichkeit und Unehrlichkeit
Walter Wandtke

Walter Wandtke, schul-politischer Sprecher der grünen Ratsfraktion

„Die jetzt 85 Jahre alte Nazi-Gästebucherfindung ist schon lange beerdigungsreif. Bereits im November 2001 hatte die Grüne Fraktion einen Antrag in den Rat eingebracht, diese unseelige Stahlbuchtradition zu beenden und mit einem andersartigen Gästebuch für das 21. Jahrhudnert zu beginnen. Damals wurde diese Initiative in den Ältestenrat abgeschoben und dort stillschweigend entsorgt.

Es wäre ja auch äußerst peinlich gewesen, all den Staatsgästen, z.B. der norwegischen Königin, oder Städtepartnerschaftsgästen aus dem russischen Nishni Novgorod oder dem israelischen Tel Aviv zu erläutern, welche Geschichte auf diesem Stahlbuch lastet, in dem jetzt ihre kalligrafierten Unterschriftsblätter liegen.

Stahlbuchseite für essens polnische Partnerstadt Zabrze in Oberschlesien.

Doch auch rein kommunal gesehen ist das Essener Stahlbuch zur Ehrung der demokratischen Bildungsgeschichte unserer Volkshochschule völlig ungeeignet, auch wenn auf dem Kruppstahleinband keine Hakenkreuze eingraviert sind.“

Stahlbuch mit diktatorischem Geburtsfehler anno 1934

– Zitat aus der Hochzeitsrede des OB Reismann-Grone von 1934:
„Wenn heute zu diesem hochzeitlichen Fest Sie, mein Führer erschienen sind, mit ihren alten getreuen Gefolgsmannen, vor allem mit Ihnen, Herr Ministerpräsident Göring, wenn wir so die beiden Ehrenbürger der größten Metallstadt Deutschlands gleichzeitig begrüßen dürfen, so setzt sich für uns heute diese stattliche Reihe der kaiserlichen erlauchten Besuche fort, welche für die Stadt ein Ruhm und für die Geschichte ein Ereignis sind. Um diese Stunde in etwa festzuhalten, hat die Stadt Essen heute ein Gästebuch begonnen.
Es soll Ausdruck dafür sein, dass heute heute mit dem Dritten Reich und diesem Buch eine neue Epoche der Stadt eingeläutet wird.“

In dieser Tradition kann die Volkshochschule Essen doch nun wirklich nicht stehen wollen.
Walter Wandtke

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