Über 100 interessierte TeilnehmerInnen
Über 100 Teilnehmer informierten sich und diskutierten am 05.03.2016 im Gebäude „Die Brücke“ der ESG an der Universität Duisburg/Essen über Stand und Konzepte für frühkindliche Mehrsprachigkeit in Essen. In zwei Impulsvorträgen wurde über die politischen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen für Mehrsprachigkeit in Kindertagesstätten informiert. Frau Roswitha Biermann vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) berichtete, die „ … Mehrsprachigkeit im Elementarbereich ist bereits beschlossene Sache aber die Umsetzung hinkt noch hinter her…“.
EU-Empfehlung für Dreisprachigkeit
In der Veranstaltung wurde eine klare Linie von der Empfehlung der Europäischen Union für eine Dreisprachigkeit ihrer Bürger über die fachlichen Grundlagen zur altersintegrierten Sprachbildung im Elementarbereich des Landes NRW (berücksichtigt im Kinderbildungsgesetz) bis hin zu den Beschlüssen der Stadt Essen gezeichnet. Im zweiten Impulsvortrag wurde durch Frau Dr. Anja Leist-Villis klargestellt, dass Mehrsprachigkeit im Elementarbereich keine Überforderung für Kinder und Eltern darstellt, wohl aber ungünstige Rahmenbedingungen in Gesellschaft und Bildungssystem zu Belastung und Überforderung führen können. Als ungünstige Rahmenbedingungen sind insbesondere mangelndes Verständnis und Wertschätzung, sowie ein zu geringer Personalschlüssel in den Kindertagesstätten zu nennen.
Anschließend diskutierten Frau Annette Berg, Jugendamtsleiterin der Stadt Essen, Frau Annette Schnitzler, Prokuristin der AWO-Kita gGmbH Essen, Frau Dr. Marina Burd, Geschäftsführerin der interkulturellen pädagogischen Gesellschaft MITRA e.V., Frau Michaela Schmitt-Reiners, Verband Binationaler Familien und Partnerschaften iaf e.V. mit Frau Christine Müller-Hechfellner, Ratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen in Essen, über den Rahmenbedingungen und Stand der Umsetzung von mehrsprachigen Kindertagesstätten in Essen.
Erfolgreiche Initiativen in Essen
Dabei wurde deutlich, dass Essen bereits viele erfolgreiche Initiativen in diesem Bereich vorweisen kann. Es wurde aber auch deutlich gemacht, dass noch viele Anstrengungen durch Stadt und Träger erforderlich sind, da derzeit erst etwa 2-3% der Kindertagesstätten mehrsprachige Angebote bieten. Frau Berg vom Jungendamt der Stadt Essen sprach sich explizit dafür aus, sich hier mit einer Fachdebatte zwischen Stadt und freien Trägern gemeinsam auf den Weg zu machen und nach neuen Konzepten zu suchen. Frau Schmitt-Reiners vom Verband Binationaler Familien und Partnerschaften führte an, dass seitens der Industrie ein erheblicher Bedarf an mehrsprachigen Arbeitskräften aller Sprachen bestehe.
Das herkunftssprachliche Sprachniveau von Arbeitskräften mit Migrationshintergrund liegt heute aber insbesondere im schriftlichen Bereich häufig unter den beruflichen Anforderungen. Verantwortlich für diese Verschwendung von Potential ist unter anderem eine bislang unzureichende Wertschätzung und Förderung von Herkunftssprachen und Mehrsprachigkeit im Elementarbereich.
Landesinitiative „Lebendige Mehrsprachigkeit“
Aus dem Publikum fragte Yilmaz Günes, 2. stellvertretender Bezirksbürgermeister von Bündnis 90 / Die Grünen im Bezirk Kray/Steele und Mitglied im Integrationsrat der Stadt Essen, nach möglichen Vorteilen einer Beteiligung als Modelregion an der Landesinitiative „Lebendigen Mehrsprachigkeit“, deren Partner der Landesintegrationsrates ist. Frau Berg zeigte sich verhalten positiv gegenüber einem solchen Antrag, verwies aber auf den noch frühen Stand der politischen Meinungsbildung in dieser Frage. Frau Schmitt-Reiners rief dazu auf, eine solche Initiative zu nutzen für eine bessere, stadtteilorientierte Vernetzung zwischen Kindertagesstätten und nachfolgenden Bildungseinrichtungen. Dies sollte eine Chance sein, für einen Weg „weg von der Stigmatisierung und hin zu einer Profilierung“.
Best Practice Beispiele & Markt der Möglichkeiten
Zum Abschluss der Veranstaltung hatten drei Kindertagesstätten als ausgewählte Best Practice Beispiele sowie zahlreiche Aussteller auf dem Markt der Möglichkeiten Gelegenheit, sich über ihre Erfahrungen und Angebote auszutauschen. Dabei wurde Wert darauf gelegt, nicht nur Best Practice Beispiele im wissenschaftlichen Sinn vorzustellen, sondern auch Einrichtungen in den Blickpunkt zu rücken, die sich gerade erst auf den Weg gemacht haben. Diese wie auch die Aussteller auf dem Markt der Möglichkeiten sollen anderen Kindertagesstätten Mut und Ideen geben, in Zukunft einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Dabei wurde klar, wie unterschiedliche Wege zum Ziel einer gelebten Mehrsprachigkeit führen, je nachdem welchen konkreten Bedarf die Einrichtungen adressieren und fördern. Deutlich wurde darüber hinaus, dass nicht nur Kinder mit einem mehrsprachigen Familienhintergrund von dieser (heute noch) besonderen Förderung profitieren. Vielmehr haben alle Kinder in diesen Einrichtungen einen Vorteil, unabhängig von Herkunft und Familienhintergrund. Diese gelebte kulturelle und sprachliche Vielfalt ist wahrhaft eine Chance für alle!
Flächendeckend mehrsprachige Bildung für den Elementarbereich!
Es verbleibt somit die Erkenntnis, flächendeckende mehrsprachige Bildung im Elementarbereich ist eine wichtige Herausforderung für die Zukunft. Das Land NRW, die Stadt Essen, der Integrationsrat und die freien Träger müssen in Zukunft noch enger und konsequenter zusammenarbeiten, um diese Herausforderung zu schultern. Die Rahmenbedingungen, insbesondere die sprachliche Ausbildung der Fachkräfte und die Ausstattung der Kindertagesstätten, müssen den gesetzlich verankerten Ansprüchen der Politik an eine mehrsprachige Gesellschaft Folge leisten. Die Grünen stellen sich dieser Herausforderung. Erstrebenswert wäre, dass Essen sich beim Land NRW als Modellregion für Mehrsprachigkeit bewirbt.“
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