Essen sozial

In Essen leben vielfältige Menschen friedlich miteinander. Um ein gutes Zusammenleben, eine Kultur des Verstehens und der Akzeptanz zu fördern, wollen wir eine eng vernetzte Sozial-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Integrationspolitik ermöglichen. Die ganze Stadtverwaltung muss zusammenwirken, um Armut vorzubeugen und abzubauen. Von Bildung über Gesundheit bis zur Stadtentwicklung reichen die Instrumente gegen Armut und für Selbstbestimmung. Wir wollen Essen zu einer inklusiven, barrierefreien Stadt umgestalten, die allen Menschen Teilhabe garantiert – ob jung oder alt, mit oder ohne Behinderung, zugewandert oder hier aufgewachsen.

Essen ist in Arm und Reich gespalten, die Armutsquote liegt bei etwa 23% – diese wollen wir senken. Denn wo Armut herrscht, droht sie zu verfestigen. Die Stadt ist nach wie vor in einen „armen Norden“ und einen „reichen Süden“ geteilt. Kinderarmut wollen wir entschieden bekämpfen. Jedes dritte Kind in Essen ist von Armut betroffen. Den stetigen Verlust an Sozialwohnungen wollen wir stoppen. In der Arbeitsmarktpolitik wollen wir statt auf Sanktionen mehr auf Aus- und Weiterbildung setzen und Kinderbetreuung ausbauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beugt Armut vor. Weniger Eltern sollen auf einen Kita-Platz warten müssen, Frauen den beruflichen Wiedereinstieg zügiger schaffen. Gesundheitsversorgung durch Ärzt*innen und Einrichtungen wollen wir gerade in benachteiligten Stadtteilen stärken. Für mehr als 20.000 seit 2015 Geflüchtete ist Essen zur neuen Heimat geworden. Wir fördern ihre Integration in Quartiere, Bildung und Jobs.

Wohnen bezahlbar machen – allen ein gutes Zuhause

Gute Wohnungspolitik schafft Anreize, damit Investoren im Essener Süden Sozialwohnungen bauen. Wir setzen uns für eine verbindliche Quote von 30% für den sozial geförderten Wohnungsbau bei Neubauten ein. Diese dürfen nicht abgegrenzt zu den frei finanzierten Wohnungen entstehen. Nur ein integrativer Sozialwohnungsbau verbindet Menschen verschiedener sozialer Schichten.

Sozialwohnungsbau allein kann den Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen jedoch nicht lösen. Die Sozialmieten von Neubauten sind oft höher als die anerkannten Kosten der Unterkunft gemäß Sozialgesetzbuch. Das sogenannte „Dortmunder Modell“ bietet eine Lösung: Mieten für öffentlich geförderten Wohnraum werden generell als „angemessen“ anerkannt. Mit einem „Klimabonus“ lässt sich zudem verhindern, dass Mieter*innen gezwungen werden, aus energetisch sanierten Mietwohnungen auszuziehen, nur weil deren Kaltmiete ohne Nebenkosten höher ist. Das Abschalten des Stroms bei Bezieher*innen von Sozialleistungen muss die Ultima Ratio sein.

Wohnungslosigkeit ist ein sozialer Härtefall, der auch in Essen immer sichtbarer wird. Wir wollen mehr Streetworking, um Obdachlose in die Hilfsangebote der Stadt zu vermitteln. Die Träger der Sozialberatungsstellen und der Drogenhilfe wollen wir ausreichend finanzieren. Wir wollen Wohnungs- und Obdachlosigkeit wirksam bekämpfen statt Wohnungslose zu vertreiben. Das gängige Hilfs- und Stufensystem – mit einem Aufstieg von Notunterkunft, über betreute Wohngruppen, Übergangswohnen, bis Vermittlung in Finalwohnung – wollen wir um den Ansatz „Housing First“ ergänzen: Hierbei werden Wohnungs- und Obdachlose mit komplexen Erkrankungen in normalen Wohnraum mit intensiver aufsuchender gesundheitlicher Hilfestellung vermittelt – mit großen Erfolgen.

Bessere Bildung für alle Kinder und Jugendlichen

Alle Kinder und Jugendliche müssen Zugang zu den Angeboten von Sportvereinen und Musikschulen haben – unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern. Dafür braucht es keine komplizierten und bürokratischen Bildungs- und Teilhabepakete, sondern eine zielführende Zusammenarbeit von (Ganztags-)Schulen mit Sportvereinen und Musikschulen. Um die Abrechnung der BuT-Leistungen so unbürokratisch wie möglich zu gestalten und den Zugang für Berechtigte zu erleichtern, wollen wir auch in Essen die in vielen Kommunen bereits erfolgreich eingesetzte Bildungskarte einführen. Mit ihren Angeboten werden innerhalb der Schulzeit die Bewegung der Schüler*innen und die musischen Fähigkeiten gefördert. Auch damit wird ein Grundstein gelegt für die Entwicklung unserer Kinder zu selbstbewussten, starken Persönlichkeiten. In Stadtteilen mit vielen zugewanderten Kindern braucht es eine hochwertige umfassende Sprachförderung.

Ein tägliches Frühstück und warmes Mittagessen ist eine aktive Gesundheits- und Entwicklungsförderung, gerade in sozial benachteiligten Stadtteilen. Kooperationen und Patenschaften im Freizeit- und Bildungsbereich zwischen dem Essener Norden und dem Süden bauen Barrieren und Vorurteile ab. Stadtteilübergreifende Projekte und Treffen von Jugendlichen, Interessengruppen und Vereinen müssen geschaffen bzw. ausgebaut werden.

Arbeitslosigkeit verringern – Teilhabe schaffen

Voraussetzung für ein Leben ohne Armutsgefährdung und frei von staatlichen Hilfen ist eine sichere Arbeitsstelle mit einer angemessenen existenzsichernden Entlohnung. Zu viele Menschen haben dauerhaft kaum Chancen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir stehen dafür, dass diese Menschen unterstützt und nicht gegängelt werden. Die wirksamen Programme zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt sind mit Hilfe von Europa- und Bundesmitteln fortzuführen. Diese müssen noch besser an die individuellen Bedürfnisse der Arbeitssuchenden angepasst werden. Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle, jobbegleitende Unterstützungen sowie eine passgenaue und flexible Kinderbetreuung. Weiterbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen sollen im Einvernehmen mit den Langzeitarbeitslosen vereinbart werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass Menschen des gesetzlich garantierten Existenzminimums nicht einfach beraubt werden dürfen. In Essen müssen Kriterien für die Ermessensentscheidung festgeschrieben werden, damit Sanktionen nicht einzelnen Mitarbeiter*innen des Job-Centers unterliegen.

Wir brauchen mehr geeignete Stellen für Menschen mit Behinderung im ersten Arbeitsmarkt. Eine stärkere Zusammenarbeit der städtischen Beteiligungsgesellschaften mit Einrichtungen der Behindertenhilfe und den Werkstätten ist die Voraussetzung, um mehr Menschen mit Behinderung in die Erwerbsarbeit zu integrieren. Ein alle zwei Jahre ausgelobter „Inklusionspreis“ für Arbeitgeber*innen kann deren Einsatz stärken, Menschen mit Behinderung echte Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bieten.

Eine grundständige Ausbildung schützt Jugendliche wirksam vor Arbeitslosigkeit. Leider finden immer noch viele Jugendliche trotz freier Ausbildungsplätze keine Stelle. Anstatt sie in Maßnahmen zu parken, sollte der Essener Ausbildungskonsens belebt werden. Initiativen, die Jugendliche in Ausbildung oder Studium begleiten, wollen wir stärker fördern.

Geringqualifizierte sind besonders von Arbeitslosigkeit betroffen. Weiterbildungen mit einem Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf sind der Schlüssel, um Arbeitssuchende nachhaltig in Beschäftigung zu bringen und das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern. Angebote an Teilzeitausbildungen für Alleinerziehende müssen mit Kinderbetreuung einhergehen. Wir wollen ein Sonderprogramm „Sozialer Arbeitsmarkt“, das nachhaltige Arbeitsgelegenheiten schafft. Stadtteilbezogene Angebote für arbeitslose Menschen in der Gemeinwesen-Arbeit können Wege eröffnen. Ohne gute Deutschkenntnisse haben neu zugewanderte Menschen wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Darum wollen wir das Angebot an Sprachkursen (ab B1 bis C1) ausbauen. Begleitende Kinderbetreuung stellt sicher, dass Eltern und Alleinerziehende mit kleinen Kindern teilnehmen und profitieren können.

Für eine Sozialpolitik, die Kinderarmut vorbeugt

Um Kinderarmut zu bekämpfen, wollen wir im Bund eine Kindergrundsicherung einführen. Denn jedes Kind ist uns gleich viel wert. Vor Ort beugt vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Armut wirksam vor. Diese muss auch Alleinerziehenden möglich sein. Darum braucht es eine verlässliche, bedarfsgerechte und flexible Kinderbetreuung, auch fernab des 8-16-Uhr-Schemas mit kurzen Wartezeiten auf einen Platz. Auch die Betreuung in Randzeiten, also vor Öffnung und nach Schließung der Kita, muss infolge flexiblerer Arbeitszeiten sichergestellt werden. Wir wollen um Kita-Träger, die in Essen eine Einrichtung eröffnen möchten, offensiver werben. Genehmigungsverfahren gilt es zu beschleunigen, Elterninitiativen zu unterstützen. Um dem steigenden Fachkräftebedarf nachzukommen, braucht es mehr Ausbildungsplätze für Erzieher*innen. Mit dem Programm „Starke Quartiere – starke Menschen“ wollen wir in benachteiligten Vierteln den Ausbau von Kitas, Familienzentren, sozialen Beratungsstellen und Hilfsangeboten gezielt fördern.

Gesundheits- und Pflegepolitik menschlicher gestalten

Alle Menschen haben das Recht, gut versorgt zu werden, wenn sie krank sind. Das darf nicht abhängen von Stadtteil, Alter, Einkommen, Geschlecht, Herkunft oder Behinderung. Auch in Essen ist eine Zwei-Klassen-Medizin spürbar. Gesetzlich Versicherte bekommen später einen Termin bei Fachärzt*innen als Privatversicherte. In einigen Quartieren, vor allem im Norden, gibt es zu wenige Fach- und Kinderärzt*innen.

Wir wollen, dass Haus- und Kinderärzt*innen überall gut erreichbar sind. Auch die optimale Betreuung von Schwangeren und Eltern nach der Geburt muss stadtweit garantiert sein. Wir unterstützen die Gründung integrierter Gesundheitszentren, damit verschiedene medizinische, präventive und pflegerische Angebote und der Pflege unter einem Dach zusammenwirken. So kann gerade in benachteiligten Quartieren die Versorgung verbessert werden. Eine gute gesundheitliche und pflegerische Versorgung in allen Stadtteilen ist kultursensibel. Dafür soll das Jobcenter die Ausbildung von professionellen Sprach-, Integrations- und Kulturmittler*innen fördern, wie es in umliegenden Städten längst üblich ist. Die Kooperation und Vernetzung ambulanter Einrichtungen und Krankenhäuser wollen wir stärken und die Versorgungsqualität verbessern. Wir wollen eine qualitativ hochwertige, stadtteilbezogene Versorgung. Die Zusammenarbeit von Pflegekräften, Therapeut*innen, Ärzt*innen und Krankenhäusern muss auf Augenhöhe stattfinden. Die Patient*innen gehören ins Zentrum der gesundheitlichen Versorgung.

In der Pflegepolitik stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt. Menschen, die auf Pflege oder Unterstützung angewiesen sind, sollen so lange wie möglich selbstbestimmt und gut versorgt in ihrem liebgewonnenen Quartier leben können, ohne in ein Heim umziehen zu müssen. Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Menschen allein leben. Um der Vereinsamung vorzubeugen, möchten wir – ähnlich wie der gut angenommene Babybesuchsdienst – einen Seniorenbesuchsdienst einführen, bei dem alle Menschen ab 70 Jahren von Mitarbeiter*innen der Sozialverwaltung besucht und mit Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten aller Art versorgt werden. Auch Essener*innen mit Migrationshintergrund müssen gezielter adressiert werden. Diejenigen, die Angehörige oder Nahestehende pflegen, wollen wir entlasten. Wer in Pflege- und Gesundheitsfachberufen arbeitet, verdient mehr Anerkennung, Wertschätzung, bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Angebote an Kurzzeit- und Tagespflege und die stationären Einrichtungen müssen sich am Bedarf ausrichten. Wir wollen, dass die „Konferenz Pflege und Alter“ neu zusammengesetzt wird, so dass alle demokratischen Ratsfraktionen dort vertreten sind. Um eine verbindliche und kultursensible Pflegeplanung erstmals vorzunehmen, müssen Personalressourcen geschaffen werden.

Quartiere wollen wir in der Sozialraumplanung als Lebensmittelpunkt aller Menschen stärken. Nötig sind deshalb barrierefreie öffentliche Gebäude, die Einführung der „leichten Sprache“ in Behörden und auf den Webseiten der Stadt, Aktualisierung und Erweiterung des barrierefreien Innenstadtplanes (auch als App), ein Störungsmelder von Fahrstühlen und Rolltreppen im Nahverkehr, die Zertifizierung von Gebäuden und Orten nach Arten der Barrierefreiheit sowie die systematische Bedarfsermittlung von Wohnraum für Menschen mit Behinderung.

Die flächendeckende Einführung von Stadtteil-Ansprechpartner*innen für Menschen mit besonderen Herausforderungen ist uns ein zentrales Anliegen. Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege sind hierfür unverzichtbare Partner.