Hiltrud Schmutzler-Jäger

„Call for Action“ – auch in Corona-Zeiten

Stellungnahme der Ratsfraktion der Grünen zum „Call for Action“ der Essener Umweltverbände

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Engagierte für Umwelt- , Natur- und Klimaschutz,

vielen Dank für Ihren Aufruf „Call for Action – auch in Corona-Zeiten“ sowie die zahlreichen konkreten Vorschläge und Anregungen zum Umwelt-, Natur- und Klimaschutz. Herzlich bedanken möchten wir uns auch generell für Ihr unermüdliches umweltpolitisches Engagement, auch wenn die Corona-Pandemie uns aktuell zur Zurückhaltung bei den klassischen Aktionsformen (öffentliche Veranstaltungen, Demonstrationen etc.) zwingt. Zunächst möchte ich vorwegschicken, dass diese Stellungnahme der Ratsfraktion der Grünen mit Mehrdad Mostofizadeh, dem Oberbürgermeisterkandidaten der Essener Grünen, abgestimmt ist.
Mit Ihrer Aussage, dass die Corona-Pandemie global im Schnellkurs vermittelt hat, was Kipppunkte sind und was eine exponentielle Entwicklung ist, haben sie aus unserer Sicht sehr wichtige Punkte angesprochen. Die Corona-Pandemie hat zwar andere grundlegende Bedrohungen, wie den Klimawandel und das Artensterben, aus den Schlagzeilen ver-drängt. Allerdings verschwinden diese bestehenden Menschheitsherausforderungen nicht einfach mit der Corona-Krise.
Die Corona-Pandemie hat uns mit einem Schlag vor Augen geführt, wie fragil unser Leben trotz allem technologischen Fortschritt ist. Und was für ein Irrglaube es ist, wir könnten uns von den physischen Grundlagen unseres Lebens entkoppeln, wir könnten uns als Mensch außerhalb des Ökosystems stellen. Die Corona-Pandemie ist damit eine eindrückliche Mahnung zu Beginn dieses so entscheidenden Jahrzehnts: Der Ausnahmezustand, den wir jetzt erleben, wird zum Normalfall werden, wenn wir mit der Zerstörung unserer Ökosysteme weiter machen wie bisher.
Denn die anderen Krisen, allen voran die Klimakrise, schreiten unverändert voran. Die letzten Jahre waren global die wärmsten, die jemals gemessen wurden und Extremwetterereignisse in aller Welt haben uns die verheerenden Folgen der Klimakrise vor Augen geführt. Aktuell erleben wir in Deutschland einen viel zu trockenen Frühling und es droht das dritte Dürrejahr in Folge. Wenn wir die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens einhalten und die Klimakrise mit all ihren dramatischen Verwerfungen noch aufhalten wollen, dann sind die nächsten zehn Jahre dafür das entscheidende, letzte Zeitfenster.
Sie haben um Beantwortung konkrete Fragen zum Beschluss des Rates der Stadt Essen vom 10. Juli 2019 zur Vorlage der Essener Stadtverwaltung zum Thema „Klimaschutz in Essen“ gebeten. Vor einer Beantwortung einzelner Fragen möchte ich jedoch vorwegschicken, dass sich viele dieser Fragen auf das Verwaltungshandeln der Stadt Essen beziehen und somit auch von der Verwaltung beantwortet werden müssen.
Den Fokus unserer Antworten legen wir auf die bislang erfolgten Initiativen der Ratsfraktion der Grünen sowie künftige Vorhaben, die ihren Niederschlag im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen zur Kommunalwahl am 13. September 2020 gefunden haben.
Erreichung der Klimaschutzziele
Anlässlich der Veröffentlichung der Treibhausgasbilanz der Stadt Essen im Mai 2020 wurde deutlich, dass die Stadt Essen ihr selbst gestecktes Ziel einer Treibhausgasminderung um 40 Prozent zwischen dem Jahr 1990 und 2020 deutlich verfehlt hat. Tatsächlich wurden die Treibhausgasemissionen in Essen in der Zeit zwischen 1990 und 2017 nur um 33 Prozent gesenkt. Die Stadt Essen muss daher deutlich mehr Anstrengungen beim Klimaschutz unternehmen, um die internationalen Klimaschutzziele zu erreichen. Diesen Umstand haben wir Grüne zum Anlass genommen, im Rat der Stadt Essen am 27.5.2020 zu beantragen, dass die Verwaltung noch in diesem Sommer konkrete Vorschläge für neue Klimaschutzmaßnahmen entwickeln soll, um deutliche Fortschritte bei der Senkung der Treibhausgase zu erzielen. Der Umweltausschuss hat diesem Antrag am 2.6.2020 erfreulicherweise einstimmig zugestimmt, so dass in der Ratssitzung am 26.8.2020 über Maßnahmen befunden werden kann, die auch die derzeit anlaufenden Klimaschutz-Konjunkturprogramme von Europäischer Union und Bundesregierung berücksichtigen.
Für die nächsten Jahre legt das Kommunalwahlprogramm der Grünen die Handlungsziele fest. Darin heißt es:
„Wir wollen einen radikalen Kurswechsel beim Klimaschutz. Essen hat sich als “Grüne Hauptstadt Europas 2017“ dem Ziel verpflichtet, bis zum Jahr 2030 55 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren. Wir GRÜNE wollen Essen bereits bis zum Jahr 2035 klimaneutral machen. Das ist mutig, weil wir vieles ändern und manches noch entwickeln müssen. Um unser Klimaziel zu erreichen, muss die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen. Die Stadtverwaltung und die kommunalen Betriebe wollen wir bis 2030 klimaneutral machen.
Die Veränderung des Klimas zwingt uns zum sofortigen Handeln, wenn wir die bald unumkehrbare Zerstörung unserer Lebensgrundlage stoppen wollen. Wir fordern daher weiter, dass Essen endlich den Klimanotstand ausruft und endlich eine ambitionierte Klimaschutzpolitik einleitet. Bei sämtlichen Entscheidungen müssen die sich daraus ergebenden Treibhausgas-Emissionen dargestellt und möglichst die klimaneutralste Variante gewählt werden.“
Weiterentwicklung des Integrierten Energie- und Klimakonzepts
Die Weiterentwicklung des Integrierten Energie- und Klimakonzepts (IEKK) der Stadt Essen zu einem Aktionsplan für Klima und Energie (Sustainable Energy and Climate Action Plan = SECAP) begrüßen wir Grüne sehr. Allerdings darf hiermit nicht, wie in der Verwaltungsvorlage der Stadt Essen dargestellt, bis Mitte 2021 gewartet werden. Im Kommunalwahlprogramm fordern die Grünen daher:
„Klimaschutz ist eine entscheidende Zukunftsinvestition. Nichthandeln würde uns viel teurer zu stehen kommen. Darum wollen wir das „Integrierte Energie- und Klimakonzept“ der Stadt beherzt weiter entwickeln und mit mehr finanziellen Mitteln ausstatten. Dabei setzen wir auf Energieeinsparung, Energieeffizienz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien, damit der Energieverbrauch drastisch reduziert werden kann.
Die Gebäude aller Behörden und öffentlichen Einrichtungen wollen wir energetisch modernisieren. Sie sollen möglichst auch zur Energieproduktion genutzt werden. Bis dahin wollen wir, dass die Stadt ausschließlich Strom nutzt, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien besteht.
Wir wollen, dass die Stadtwerke wieder stärker in kommunaler Hand liegen und sich strategisch weiter Richtung erneuerbarer Energien ausrichten. Deshalb fordern wir von Stadt und EVV ein entsprechendes Strategiekonzept. Wir wollen die Essener Stadtwerke zu einem Unternehmen umbauen, das sich künftig wesentlich mehr in den Geschäftsfeldern der Erzeugung erneuerbarer Energien (vor allem Solarenergie), Dienstleister für Energieeffizienz (z.B. Kraft-Wärme-Kopplung, Contracting) und Elektromobilität betätigt. Die Stadtwerke sind für uns ein zentraler Akteur der Energiewende in Essen. Deshalb erwarten wir von den Stadtwerken zeitnah ein Dekarbonisierungskonzept mit dem Ziel einer Klimaneutralität bis spätestens 2035. Dazu gehört auch die Nutzung von klimaneutraler-zeugtem Wasserstoff.
Wir wollen das Fernwärme-Netz in Essen ausbauen. Dort, wo der Anschluss an das Fernwärmenetz nicht möglich ist, streben wir dezentrale Nahwärmenetze mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien an. Erdwärme und Abwärme aus industriellen Prozessen und Abwässern sollte verstärkt genutzt werden.
Das Stromleitungsnetz der Stadt Essen soll muss nach Beendigung des Konzessionsvertrages mit RWE rekommunalisiert werden. Künftig sollten die Essener Stadtwerke den Netzbetrieb unter ökologischer Ausrichtung betreiben (Smart-Grids).
Den Essener Bioabfall wollen wir künftig durch Behandlung in Vergärungsanlagen energetisch nutzen. Essensabfälle können in Biogasanlagen verwertet werden.“
Ausbau der Solarenergie
Am 25.9.2019 hat der Rat folgendes auf Antrag von SPD, CDU und Grünen beschlossen:
„Die Verwaltung möge aus vorhandenen und noch verfügbar zu machenden Quellen, ein Kataster über sämtliche Dachflächen der Stadt sowie ihrer mehrheitlichen Beteiligungsunternehmen entwickeln. Dabei sind die Daten des Solardachkatasters des Regionalverbandes Ruhr, statische oder baurechtliche Einschränkungen sowie Vorgaben des Denkmalschutzes zu berücksichtigen. Ein solches Kataster soll den Grad der Eignung jeder einzelnen Dachfläche für die Energieerzeugung aus Solaranlagen darstellen und weitere Angaben zur wirtschaftlichen Bewertung in diesem Sinne enthalten. Vor diesem Hintergrund wird die angekündigte Photovoltaik (PV)-Initiative der Stadtwerke Essen AG ausdrücklich begrüßt und die Verwaltung aufgefordert, sich ergebende Möglichkeiten zur Erzeugung erneuerbarer Energie schnellstmöglich zu nutzen.“
Die Initiative für diesen Antrag kam von der Ratsfraktion der Grünen. Leider konnten wir Grüne uns dabei nicht mit der Forderung durchsetzen, wonach auch Dachflächen städtischer Gebäude an Bürger-Solargenossenschaften zu überlassen sind. Dieses Ziel verfolgen wir aber auch nach der kommenden Kommunalwahl weiter. So heißt es im Wahlprogramm:
„Wir wollen eine „Solar-Offensive“ für Essen. Die Stadtverwaltung soll gemeinsam mit den Essener Stadtwerken mehr Hausbesitzer*innen für Solaranlagen (Photovoltaik und Solarthermie) gewinnen. Die Solarenergie-Potentiale von Dachflächen und Fassaden bei öffentlichen Gebäuden müssen konsequent erschlossen und von einer Dach- bzw. Fassadenbegrünung ergänzt werden. Bei Neubauten wollen wir die Errichtung von Solaranlagen auf Dachflächen zur Regel machen, sofern dies technisch möglich und sinnvoll ist.
Wir wollen eine Energiewende von unten. Energiegenossenschaften von Bürger*innen sollen bei der Errichtung von Anlagen erneuerbarer Energieerzeugung oder Energieeffizienz unterstützt werden.“
Gebäudesanierung
Angesichts hoher Rückstände bei der energetischen Sanierung im Essener Wohnungsbestand ist eine Gebäudesanierung der zentrale Schlüssel zur Treibhausgasminderung in Essen. Gestaltungsspielraum für städtische Politik liegt hier vor allem beim Umgang mit städtischen Liegenschaften (Schulen, Sportstätten, Verwaltungsgebäude, Kulturgebäude usw.) sowie bei der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Allbau. Wir Grüne haben uns in den letzten Jahren regelmäßig bei der Beratung des städtischen Haushaltes für mehr Mittel bei der energetischen Sanierung städtischer Immobilien und weniger Gewinnabführung des Allbau an die Stadt eingesetzt. Den Antrag der Ratsfraktion der Grünen zum Doppelhaushalt 2020/2021 zur Erhaltung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Allbau durch eine Verringerung der Allbau-Ausschüttung um jährlich 3 Mio. Euro wurde aber von SPD, CDU, FDP und EBB abgelehnt. Mehrheitlich abgelehnt wurde auch der Antrag der Grünen, in den Jahren 2020 und 2021 jeweils 500.000 Euro in den Haushalt einzustellen, um Fördermittel des Bundes beim Förderprogramm „Energetische Stadtsanierung“ kozufinanzieren.
Gleichwohl bleibt für uns Grüne die Gebäudesanierung ein zentrales politisches Handlungsfeld. So heißt es im aktuellen Kommunalwahlprogramm:
„Eine wichtige Rolle spielt die energetische Sanierung und mehr Energie-Effizienz im Gebäudesektor. Die städtische Immobilienwirtschaft hat einen Bestand von ca. 1.200 Gebäuden. Ihre jährliche Sanierungsquote von derzeit 1% muss deutlich gesteigert werden. Wir wollen die städtische Wohnungsbaugesellschaft Allbau in die finanzielle Lage versetzen, jedes Jahr 5% des Wohnungsbestandes energetisch zu modernisieren. Um Mietpreiserhöhungen infolge energetischer Modernisierungen zu verhindern, wollen wir die „Richtlinien zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft (KdU)“ anhand energetischer Gesichtspunkte nach dem Bielefelder Modell anpassen – unser Klimabonus für bedürftige Personen.“
Ausbau des klimapolitischen Engagements von Bürger*innen und Unternehmen
Die Klimaschutzziele der Stadt Essen lassen sich nach unserer festen Überzeugung nur durch eine intensive Einbindung der Zivilgesellschaft (Umweltgruppen, Initiativen, Kirchen, Universitäten, Erzieher*innen, Lehrkräfte usw.) sowie von Unternehmen erreichen. Wir haben uns in der Vergangenheit regelmäßig für eine gute finanzielle Ausstattung der Umweltverwaltung sowie von Institutionen zur Förderung von ehrenamtlichem Umweltengagement sowie von Umweltbildung eingesetzt. Eine Schlüsselrolle kommt nach unserer Auffassung dabei der Grüne Hauptstadt Agentur der Stadt Essen zu, die wir personell und finanziell weiter stärken wollen.
Wir Grüne haben in den letzten Jahren regelmäßig das Ziel eines umfassenden Divestments verfolgt, also eines Rückzugs aus Unternehmen, die auf nicht-nachhaltige und klimaschädliche Energien setzen. Den Antrag der Ratsfraktion der Grünen zum Verkauf der städtischen RWE-Aktien, um mit den Verkaufserlösen vorrangig in eine aktive städtische Bodenvorrats- und Liegenschaftspolitik und in den kommunalen Wohnungsbau zu investieren, haben die Fraktionen von SPD, CDU, FDP und EBB am 23.01.2019 abgelehnt. Auch der Antrag der grünen Ratsfraktion vom Juli 2019 zur Ausrichtung von Kapitalanlagen der Stadtverwaltung an Nachhaltigkeitskriterien wurde mehrheitlich abgelehnt.
Dennoch halten wir Grüne am Ziel fest, dass die Stadt Essen sich nicht an Investitionen in umweltschädliche Energieformen beteiligt. Im aktuellen Kommunalwahlprogramm heißt es dazu:
„Wir wollen die städtische Energiebilanz nicht nur praktisch, sondern auch in ihren Kapital-anlagen CO2-neutral machen. Dafür wollen wir eine umfassende Divestment-Strategie, damit schmutzige fossile Aktien endlich verkauft werden. Dazu gehören der Verkauf der Essener RWE-Aktien, unserer Anteile an der STEAG und ein nachhaltiges Investment bei städtischen Kapitalanlagen.
Wir wollen der Energiewirtschaft eine grüne Richtung geben. Essen nimmt im Energiesektor bundes- und europaweit eine führende Rolle ein. Von Erzeugung und Versorgung über Technik und Handel bis hin zur Forschung sind wir Energiemetropole. Viele große Energiekonzerne Deutschlands haben in unserer Stadt ihren Hauptsitz: Wir wollen, dass sie die Energiewende schneller und nachhaltiger vollziehen, um Klima zu schützen und Jobs zu erhalten. Längst treiben kleine und mittelständische Unternehmen, Start-ups und renommierte Forschungseinrichtungen die Entwicklung innovativer, emissions- und ressourcenarmer Technologien hier voran. Wir wollen, dass sie allesamt nachhaltige und klimaneutrale Lösungen für die Energie von morgen liefern. Energiewende und Klimaneutralität sollen hier vor Ort gelingen – denn darüber wird maßgeblich in Essen entschieden. Es braucht mehr Pioniergeist statt Strukturkonservatismus, um diese Transformation gut zu meistern. Wir wollen das Essen zum Reallabor der Energiewende wird und damit ein Vorreiter für klimaneutrale Energieversorgung von Stadtquartieren.“
Förderung alternativer Antriebstechniken
Seit vielen Jahren verfolgen wir als grüne Ratsfraktion das Ziel, die Alternativen zum motorisierten Individualverkehr zu stärken. Autoverkehr, der sich nicht vermeiden lässt, sollte zumindest umweltfreundlicher (Elektroantriebe, Brennstoffzellen, Erd- bzw. Biogasnutzung) ausgestaltet werden. Im unserem aktuellen Kommunalprogramm heißt es dazu:
„Bis 2030 sollen der Essener Öffentliche Personen-Nahverkehr (Ruhrbahn), die Fahrzeuge der Verwaltung und der öffentlichen Unternehmen emissionsfrei fahren. Der Fuhrpark der Ruhrbahn ist sukzessive auf Busse mit umweltfreundlichen Antrieben (Elektro-, Was-serstoff- bzw. Brennstoffzellenantrieb) umzustellen. Der Ausbau eines Netzes von Ladestationen für E-Autos muss vorangetrieben und gefördert werden. Die Stadt muss auch beim motorisierten Individualverkehr ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Deshalb ist der Fuhrpark auf klimafreundliche Antriebe umzustellen.“
Förderung von umweltfreundlicher Mobilität
Der Ausbau von Fuß- und Radverkehr sowie des öffentlichen Nahverkehrs steht seit vielen Jahren im Zentrum grüner Kommunalpolitik. Leider sind viele Antragsinitiativen der Ratsfraktion der Grünen an der Ablehnung der Großen Koalition aus SPD und CDU im Essener Rat gescheitert. Hier eine Auswahl von abgelehnten Anträgen der letzten drei Jahre:
Mai 2017: zügiger Lückenschlusses des Ruhr-Radschnellweges (RS1) im Eltingviertel unter weitgehendem Erhalt des Bahndamms.
Juli 2017: Erstellung eines Gutachtens, durch welche Maßnahmen sich die Grüne Hauptstadtziele im Bereich Verkehr erreichen lassen, durch externe Gutachter.
September 2017: Ausbau des Abendverkehrs mit einem 15-Minuten-Takt auf den Straßenbahn- sowie wichtigen Buslinien bis Mitternacht sowie einem verstärkten Nachtexpress-Angebot am Wochenende.
Sept. 2017: Einführung einer Ampelvorrangschaltung für Bussen und Bahnen auf den wichtigsten Linien mit „Wartezeit Null“.
Dez. 2017: Erstellung eines nachhaltigen Mobilitätskonzept für Rüttenscheid unter breiter Bürgerbeteiligung zur Senkung des motorisierten Individualverkehrs am Modal Split.
Juli 2018: Vorrangige Verwendung der Bundesfördermittel aus dem Lead-City-Programm für den Ausbau des Radverkehrs-Hauptroutennetzes und der Schaffung sicherer Radwege (Protected Bike Lane) an Hauptverkehrsstraßen.
November 2018 (Anträge zum Haushalt 2019): Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung, Anschaffung von 20 Dienstpedelecs, Emissionsausgleich bei dienstlichen Flugreisen, deutlich mehr Mittel für Lückenschlüsse beim Radverkehrs-Hauptroutennetz, Instandsetzung von Radverkehrsanlagen und Winterdienst und Reinigung von Radverkehrsanlagen, Schaffung von Busspuren, 50 Carsharingplätzen und 2 Mobilpunkten sowie Erstellung eines Stadtmobilitätsplans.
März 2019: Schaffung eines nachfrageorientierten Angebotes an Parkplätzen für stationsbasierte Carsharing-Fahrzeuge.
Mai 2019: Überarbeitung des städtischen Parkraumbewirtschaftungskonzeptes mit dem Ziel der Ausweitung kostenpflichtiger Parkzonen.
November 2019 (Anträge zum Doppelhaushalt 2020/2021): Schaffung von weiteren Stellen für die Verkehrsüberwachung, Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung und Erhöhung der Parkgebühren, Anschaffung von 20 Dienstpedelecs, Emissionsausgleich bei dienstlichen Flugreisen, deutliche Erhöhung des Verlustausgleichs für die Ruhrbahn, Schaffung von acht Stellen für den Rad- und Fußverkehr, deutlich mehr Mittel für Ausbau des Radverkehrs-Routennetzes, mehr sichere Abstellanlagen für Räder, Instandsetzung von Radverkehrsanlagen sowie Winterdienst und Reinigung von Radverkehrsanlagen, Anschaffung von Geschwindigkeitsmessgeräten, Förderung von Lastenrädern, Schaffung von 50 Carsharingplätzen und 4 Mobilpunkten.
Februar 2020: Schaffung einer kompletten Umweltspur auf dem City-Ring.
März 2020: Einrichtung eines modalen Filters an der Martin- und Klarastraße bei der Fahrradstraßenachse Rüttenscheider Straße.
Mit der Einrichtung der Stellen für den Radverkehr sollte die Basis für eine Wende in der Verkehrspolitik gelegt werden. Diese ist nur sinnvoll gestaltbar, wenn wirklich gute Konzepte für sichere, zusammenhängende und leistungsfähige Radverkehrsverbindungen entwickelt werden. Mit Lippenbekenntnissen im Wahlkampf lässt sich eine moderne Verkehrspolitik nicht gestalten. Wir GRÜNEN wollten und wollen damit eine echte Bewegung für eine neue Mobilität gemeinsam mit den vielen Verbänden aufbauen. Jetzt könnten die Früchte solcher Planungen mit konkreten Projekten in den Stadtteilen geerntet werden. Aber genau das wurde von SPD und CDU verhindert.
Im Wahlprogramm der Essener Grünen zur Kommunalwahl am 13. September 2020 sind zahlreiche Forderungen für eine echte Verkehrswende enthalten. Hier ein Ausschnitt:
„Wir stehen für eine konsequente Verkehrswende hin zu einer ökologisch, sozial gerech-ten und sicheren Mobilität ein. Mobilität neu zu denken und besser zu organisieren erhöht die Lebensqualität in Essen. Mobil geht auch ohne Automobil. Bürgerinnen aller Stadtteile müssen die Möglichkeit haben, autofrei zu leben Die Autostadt muss wieder zu einer Stadt der Menschen werden. Maßstab einer modernen Verkehrspolitik sind die Einwohner*innen und ihre Bedürfnisse. Wir wollen den vorhandenen Platz für die Infrastruktur, also für Schienen, Straßen, Geh- und Radwege gerecht und effizient verteilen. Darum ist der Be-schluss des Rates und der Verwaltung der Stadt Essen umzusetzen, dass spätestens bis 2035 jeweils 25 Prozent aller Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem öffentlichen Personen-nahverkehr und dem Auto zurückgelegt werden.
Um Fuß- und Radverkehr sowie öffentlichen Nahverkehr zu fördern, muss die Stadt deutlich mehr Geld und Personal in den Ausbau umweltfreundlicher Mobilität stecken. Da viele Investitionen für ÖPNV und Radverkehr von Bund oder Land zu großen Teilen mit Zuschüssen gefördert werden, lässt sich mit vergleichsweise niedrigen städtischen Finanzmitteln ein Vielfaches erreichen.
Obwohl jede*r Fußgänger*in ist, handelt es sich um die am meisten vernachlässigte Gruppe von Verkehrsteilnehmer*innen. Notwendig sind stadtweit sichere, vom Rad- und Auto-verkehr getrennte, ausreichend breite Bürgersteige.
Der Radverkehr hat für eine zukunftsfähige Mobilität in der Stadt Essen das größte Potential und den größten Nachholbedarf. Eine flächendeckende, sichere und durchgängige Rad-Infrastruktur ermöglicht, das Fahrrad ganzjährig als Verkehrsmittel im Alltag zu nutzen. Fahrradfahren ist klimaneutral, gesund, leise, preiswert und nimmt pro Verkehrsteil-nehmer*in nur wenig Raum ein. Durch E-Bikes erhöht sich die Reichweite und Lastenräder stellen eine umweltfreundliche Transportalternative dar. Wir GRÜNE setzen uns für deutlich mehr Finanzmittel und personelle Planungskapazitäten beim Ausbau der Radinfrastruktur ein. Wir GRÜNE wollen die jährliche Investitionssumme für den Radverkehr dagegen verzehnfachen. Es soll ein städtisches Förderprogramm zur Anschaffung von Las-tenfahrrädern für in Essen tätige kleine Unternehmen, Vereine oder Zusammenschlüsse von Privatpersonen aufgelegt werden. An Hauptverkehrsachsen, die häufig die direktesten Verbindungen sind, sind grundsätzlich Radfahrerstreifen oder Protected-Bike-Lanes einzurichten. Das vorhandene Radwegenetz aus Radschnellwegen, Hauptroutennetz und Ergänzungsrouten muss flächendeckend verbessert und überarbeitet werden. An öffentli-chen Gebäuden, Bahnhöfen, Haltestellen, Einkaufsorten und in Wohngebieten müssen ausreichend und sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Lastenräder errichtet werden. Der Radschnellweg Ruhr (RS1) muss schnell fertiggebaut werden. Außerdem wollen wir Grüne einen weiteren Radschnellweg von Essen über Bottrop nach Gladbeck. Der Neubau der A 52-Ruhrtalbrücke darf nur vier Autospuren vorsehen und muss einen Fahrradweg für einen Radschnellweg von Essen nach Düsseldorf enthalten.
Das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs muss in Essen konsequent ausgebaut werden. Busse und Bahnen, die im dichten Takt auf eigenen Spuren am Stau vorbeifahren und an Ampeln bevorzugt freie Fahrt haben, sind eine attraktive Alternative zum Auto. Wir brauchen eine Vernetzung bei Straßenbahnen und Buslinien in der Metropole Ruhr und setzen uns daher für einen gemeinsamen Nahverkehrsplan mit den Nachbarstädten ein. Im Schienenverkehr müssen die Verbindungen in die Nachbarstädte verbessert werden. Da-zu gehört insbesondere der zweigleisige Ausbau der S-Bahn nach Bottrop und Gladbeck, um den Betrieb zu stabilisieren. Die S-Bahn nach Gelsenkirchen und Herne sollte halbstündlich fahren, um die Angebotslücken zu schließen. Die oberirdische Bahnhofstangente in Ost-West-Richtung (City-Bahn) muss ohne Verzögerungen kommen. Denn dadurch werden dringend notwendige Steigerungen der Kapazitäten für eine Taktverdichtung auf sämtlichen U- und Straßenbahnlinien geschaffen, die über den Hauptbahnhof führen. Dies muss begleitet werden von einer Umstellung des Netzes, mit der diese Vorteile durch eine Entflechtung der Fahrbeziehungen in den Tunneln auch voll ausgeschöpft werden. Darüber hinaus fordern wir die Verlängerung der Straßenbahn-Linie 105 von Frintrop nach Oberhausen, eine neue Straßenbahnlinie über das Quartier 51 (Krupp-Gürtel) bis nach Bergeborbeck, die Anbindung des Gebietes „Freiheit Emscher“ durch eine neue Straßenbahnlinie nach Bottrop, die Verlängerung der U-Bahnlinie 11 oder der U 17 bis nach Haarzopf und den Ersatz der Spurbusstrecke nach Kray durch eine Tram-Strecke auf der gleichen Trasse. Anzustreben ist ein Hauptnetz wichtiger Linien im Stadtgebiet, die tagsüber alle 5 bis 10 Minuten fahren. Wichtig ist ein 15-Minuten-Takt in den Randzeiten, so dass Arbeiter*innen im Schichtdienst frühmorgens schon den ÖPNV nutzen können. In einer Großstadt muss das kulturelle und gastronomische Angebot auch nachts mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Das Tagnetz muss daher wie in anderen Städten üblich bis 0:30 bzw. 1:30 Uhr vor und am Wochenende sowie vor Feiertagen verlängert werden. Im Nachtnetz müssen Lücken geschlossen und perspektivisch die Takte wichtiger Linien verdichtet werden. Ehrenamtlich getragene Bürgerbusinitiativen sollen unterstützt werden. Das alles verringert die Lärm-, Abgas- und Parkbelastung in den entsprechenden Vierteln.
In einem menschengerechten Essen der Zukunft wird es Autos geben – sie werden aber weniger Schadstoffe und klimaschädliches CO2 ausstoßen und leiser fahren. Der Autoverkehr muss sich weg vom Individual- und hin zum Sozialverkehr entwickeln. Carsharing- und Mitfahr-Angebote sind Teil in einem intelligenten Verkehrssystem, das die Stärken der verschiedenen Mobilitätsarten nutzt und miteinander verbindet. Vor allem für Pendler*innen und Einzelhandelskunden aus dem Umland bieten kostenlose Park-and-Ride-Plätze die Möglichkeit für den Umstieg auf Bus und Bahn. Die Kosten für den Flächenverbrauch durch Parkplätze in Wohngebieten sowie Stadt- und Stadtteilzentren müssen realistisch bepreist werden. Daher setzen wir uns für eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt sowie den Stadtteilen ein. Wir wollen in weiteren Stadtteilen Bewohnerparkregelungen einführen, um dem wilden Parken in Wohngebieten zu begegnen. Die Verkehrsprobleme können nicht durch einen Ausbau der bestehenden Straßen und Autobahnen gelöst werden. Die Erfahrung zeigt seit Jahrzehnten: Zusätzliche und schnellere Verbindungen ziehen mehr Autos an. Die Staus von LKWs und PKWs sind nach kurzer Zeit wieder gleich lang oder länger. Wir wehren uns entschieden gegen die Autobahn-Neubauvorhaben A 52 durch Essen sowie den A44-Ruhralleetunnel und befür-worten dafür Konzepte, welche die Gladbecker Straße entlasten. Die A40 muss im Bereich Frohnhausen bis zur Innenstadt mit einem Deckel versehen werden und die U-Bahnlinie 18 nach oben verlegt werden. Dies würde die Teilung des Viertels überwinden und eine großartige städtebauliche Aufwertung darstellen. Gleisanlagen müssen wieder reaktiviert, Gleisanschlüsse an Gewerbegebiete und Betriebe gefördert werden. Um die Belastung durch die Flut von Transportern der Paketzusteller in Wohngebieten zu verringern, setzten wir uns für ein LKW-Routenkonzept sowie für zentrale Stadtteil-Verteilzentren ein. Von dort liefert ein Zusteller Pakete aller Dienstleister an Kund*innen. Wir möchten das Lastenfahrrad zudem als wichtigen Bestandteil der örtlichen Logistik etablieren.“
Erhalt der biologischen Vielfalt
Am 21. März 2018 hat die Ratsfraktion der Grünen einen Antrag in den Rat der Stadt Es-sen unter dem Titel „Schutz von Bestäuber-Insekten in Essen“ eingebracht. In dem Antrag wird u.a. folgendes gefordert:
– Schaffung von Blühflächen oder Projekten für fliegende, blütenbestäubende Insekten wie z. B. Bienen, Hummeln und Schmetterlingen auf geeigneten Flächen (z.B. Ausgleichsflächen, Brachflächen),
– vorrangige Verwendung nektar- und pollenhaltigen Pflanzen bei der Auswahl von Pflanzen für Straßenbegleitgrün, Blumeninseln, Schulhöfe, Kindergärten oder sonstige öffentliche Grünflächen,
– Förderung von Projekten an Schulen und Kitas zur Schaffung von Nisthabitaten für Wildbienen, Hummeln und sonstige Bestäuber (z.B. Insektenhotels),
– private Unternehmen, die Aufträge von der Stadt Essen zur Pflege von Grün-, Sport- und Verkehrsflächen erhalten, sollten vertraglich verpflichtet werden, auf glyphosathaltige Mittel, Neonikotinoide sowie alle bienengefährliche Mittel zu verzichten,
– beim Abschluss neuer Pachtverträge für städtische landwirtschaftliche Flächen und bei der Verlängerung von Pachtverträgen sollte eine Klausel eingefügt werden, mit der sich der Pächter zum vollständigen Verzicht auf den Einsatz von glyphosathaltigen Mitteln, den Einsatz von Neonikotinoiden sowie sonstigen bienengefährlichen Mitteln auf diesen Flächen verpflichtet.
Wesentliche Inhalte dieses Antrages der Grünen wurden von SPD und CDU aufgegriffen und in einen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und Grünen für die Ratssitzung am 25.4.2018 umformuliert. Der Rat hat die Verwaltung damit beauftragt, einen Aktionsplan Vogel-, Bienen- und Insektenschutz für Essen zu erstellen. Die Verwaltung hat daraufhin ein Grobkonzept für einen solchen Aktionsplan erstellt und dargelegt, dass für eine Konkretisierung dieses Konzeptes je eine Stelle im Umweltamt notwendig sei. Die Mehrkosten für den Zeitraum von 2 Jahren hat die Verwaltung mit insgesamt rund 360.000 € Sach- und Personalkosten beziffert. Trotz intensiver Bitte der Essener Naturschutzverbände und einem deutlichen Votums des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde haben SPD, CDU, FDP und EBB einer von der Ratsfraktion der Grünen beantragten Bereitstellung dieser Summe im Rahmen des Doppelhaushaltes 2020/2021 widersprochen.
An der Ablehnung dieser überschaubaren Budgeterweiterung zum Zwecke des Naturschutzes war aus unserer Sicht besonders ärgerlich, dass SPD und CDU an anderer Stelle sehr viel Geld für mehr städtisches Personal beschlossen haben. So hat die GroKo zum Beispiel beschlossen, den Kommunalen Ordnungsdienst in 2020 und 2021 um jeweils 10 Stellen zu erweitern, was finanzielle Belastungen von 1,3 Mio. Euro auslöst.
Aus Umweltsicht bedauerlich war auch die Ablehnung des Antrages der Grünen zum Thema „Vermeidung einer Versiegelung von Vorgärten“ durch die große Koalition in der Ratssitzung am 29.5.2019. Wir Grüne hatten hier gefordert, dass die Verwaltung ein Konzept entwickelt, wie eine Versiegelung von Vorgärten verhindert und stattdessen eine naturnahe Gestaltung von Vorgärten vorgeschrieben oder mit Anreizsystemen begünstigt werden kann.
Die Erhaltung der Artenvielfalt ist für uns Grüne angesichts eines gerade auch für NRW dokumentierten dramatischen Insektensterbens auch künftig von großer Bedeutung. So heißt es dazu im Kommunalwahlprogramm:
„Natur- und Artenschutz müssen einen höheren Stellwert in Politik und Verwaltung erfahren, damit Essen seinem Titel „Grüne Hauptstadt Europas“ gerecht wird. Das Umweltamt sowie Grün und Gruga benötigen dafür eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung.
Wir wollen mehr investieren, um bestehende Grünflächen und Parks zu pflegen und zu erneuern. Öffentliche Grünflächen sollen in insektenfreundliche Blumenwiesen verwandelt werden. Das Konzept der nachhaltigen Staudenpflanzungen längs von Straßen im Zuge der Grünen Hauptstadt soll ausgeweitet und dauerhaft finanziert werden. Die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027 in der Metropole Ruhr wollen wir als große Chance zur Aufwertung grüner Infrastrukturen in Essen nutzen.
Stadtbäume bieten Lebensqualität für Menschen und Lebensraum für Tiere, filtern die Luft, dämpfen Lärm und spenden Schatten sowie Feuchtigkeit. Nicht zuletzt wirken sie auch identitätsstiftend. Altbäume mit besonderer Klimaleistung wollen wir schützen. Auf bislang asphaltierten Flächen wollen wir deutlich mehr Stadtbäume pflanzen. Eine Alternative sind Pflanzkübel mit Stauden, Sträuchern und Bäumen, um Plätze und Straßen zu begrünen. Die Baumschutzsatzung muss ausgeweitet und an die Erfordernisse eines verbesserten Baumschutzes angepasst werden. Um den Baumbestand zu sichern, bedarf es eines öffentlich einsehbaren Baumkatasters. Darin sollten alle städtischen Bäume außerhalb des Waldes in Essen erfasst werden.
Fassaden-, Dach- und Innenhofbegrünung binden Feinstaub, verbessern das Kleinklima und dienen der Artenvielfalt. Außerdem schützen sie bei Starkregen vor Überschwemmungen. Wir wollen privates Engagement für mehr Grün in der Stadt, auf dem Dach, an Fassaden und in Hinterhöfen finanziell stärker unterstützen. In besonders dicht bebauten Stadtteilen soll die Stadt Essen aktiv auf Eigentümer*innen geeigneter Objekte zugehen, um sie bei der Umsetzung zu beraten. Bei städtischen Immobilien werden Begrünungen geprüft und alle Potenziale genutzt. Auch Straßenbahn- und Bushaltestellen eignen sich für eine Bepflanzung. Künftige Bebauungspläne müssen verbindlich vorgeben, Dächer zu begrünen. Um Steinwüsten und Schottergärten im Stadtbild zurückzudrängen, wollen wir bei Neubauprojekten eine grüne, naturnahe oder gärtnerische Gestaltung von (Vor-)Gärten in einer Freiflächengestaltungssatzung festschreiben. Einen Rückbau bereits vorhandener Schottergärten soll mit Beratungspersonal und -mitteln unterstützt werden.
Essener Kleingärten müssen erhalten und neue geschaffen werden. Urban Gardening-Projekte, interkulturelle Gärten sowie Naturerfahrungsangebote für Schulen und Kindergärten erfahren unseren vollen Rückhalt. Bürger*innen, die mit viel Engagement Baumscheiben pflegen und im Sommer die Bäume gießen, sollen wertgeschätzt und unterstützt werden. Auch Vereine und Verbände, die sich um Umwelt und Naturschutz kümmern, wollen wir stärker unterstützen.
Wir setzen bei der Stadtbegrünung auf Nutzpflanzen. Unser Ziel ist, die „essbare Stadt“ zu entwickeln und dafür geeignete Flächen auch auf Dächern und an Wänden auszuweisen. In der Stadt sollen bevorzugt auch Obst- und Nussbäume gepflanzt werden.
Auf Initiative der Grünen hat der Rat beschlossen, einen Aktionsplan für Insekten- und Vogelschutz zu erstellen. Damit dieser und auch weitere ökologische Verbesserungen verwirklicht werden können, müssen die notwendigen Personal- und Finanzmittel bereitgestellt werden. Die Stadtverwaltung soll mit öffentlichen und privaten Partnern wie Wohnungsbauunternehmen, Gewerbeunternehmen, Landwirten, Waldbesitzer*innen, Umweltverbänden, Kleingartenvereinen ein „Bündnis für Essens Grün“ schließen. So lassen sich der Naturwert und die Artenvielfalt in der Stadt steigern.
Bei städtebaulichen Wettbewerben sollen künftig Berater*innen für Artenschutz für eine umwelt- und artengerechte Neugestaltung von städtischen Flächen sorgen. Bei städtischen Bauten sollen die Bedürfnisse von Vögeln und Fledermäusen, die in und an Gebäuden leben, berücksichtigt werden. Vogelschutzmaßnahmen bei Glasfassaden müssen verpflichtend werden. Insektenhotels zu bauen und aufzustellen, wollen wir bewerben, um das Überleben von Wildbienen in der Stadt zu sichern.
Essen braucht ein ökologisches Beleuchtungskonzept. Davon profitieren das Klima, die Natur und der städtische Haushalt. Die Straßenbeleuchtung ist mit insektenfreundlichen LED auszustatten. Bei künftigen Ausschreibungen ist das Beleuchtungskonzept zu berücksichtigen. Neue Straßenbahnlinien sollen von vornherein mit einem grünen Gleiskörper geplant und gebaut werden. Straßenbahntrassen, die saniert werden, sollen ebenfalls begrünt werden.
Der neue Landschaftsplan bietet die einmalige Chance, eine Biodiversitätsstrategie für das gesamte Stadtgebiet zu entwickeln. Die Artenvielfalt kann so gezielt geschützt werden, indem weitere Schutzflächen ausgewiesen und beispielsweise Biotope vernetzt werden.
Wir setzen uns dafür ein, Lebensmittel regional, naturnah, ökologisch und artgerecht zu erzeugen. Daher dürfen wir Äcker und Wiesen nicht leichtfertig zugunsten von Bauprojekten verlieren. Wir verteidigen die Landwirtschaft und mit ihr die Wochenmärkte mit Obst, Gemüse und anderen Produkten aus der Region. Neue Pächter landwirtschaftlich genutzter städtischer Flächen sollen verpflichtet werden, pestizidfrei zu arbeiten. Essen soll dem Netzwerk der „Bio-Städte“ beitreten. Um diesem Label gerecht zu werden, muss ein höherer Anteil ökologisch erzeugter und fair gehandelter Produkte in städtischen Kantinen angeboten und bei der öffentlichen Beschaffung erreicht werden.
Essens Waldflächen sind wertvolle Lebens- und Erholungsräume, Rohstoffquelle und Klimaretter. Bäume mit ihrer Klimaleistung sind ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur CO2-Neutralität. Die große Trockenheit der letzten Jahre hat drastisch verdeutlicht, wie sehr die Klimaveränderungen die Wälder und die Forstwirtschaft herausfordern. Es braucht dringend ein umfassendes Konzept für artenreiche, klimastabile und naturnahe Wälder in Essen. Die wirtschaftliche Waldnutzung wollen wir zurückfahren und den Naturschutz in der Waldbewirtschaftung intensivieren. Dafür wollen wir mehr Waldflächen nicht länger bewirtschaften, um so etwa alte Bäume stärker zu schonen.“
Nachhaltiges Bauen
In den letzten Jahren hat sich die grüne Ratsfraktion mit zahlreichen Antragsinitiativen für eine ökologische Stadtentwicklung und den Schutz von sensiblen Freiflächen eingesetzt. Beispielhaft genannt sind folgende Antragsinitiativen, die bedauerlicherweise mit den Stimmen der großen Koalition abgelehnt worden sind:
Mai 2017: Ausweitung der Ziele des Kleingarten-Entwicklungskonzeptes um den Aspekt der Gewinnung zusätzlicher Kleingartenflächen,
November 2017: Erstellung eines Entwicklungskonzeptes für Haarzopf / Fulerum als Essener Modellprojekt, um zu zeigen, wie unter dem demografischen Wandel und angesichts steigender Nachfrage nach Wohnraum ein räumlich geschlossener Stadtteil für die Zukunft sozial und ökologisch verträglich weiter entwickelt werden kann,
Oktober 2018: Erstellung eines Entwicklungskonzeptes für die gesamten Flächen der ehemaligen Girardet-Druckerei und des ehemaligen Güterbahnhofs Rüttenscheid mit dem Zielen Erhalt von Frischluftschneisen und Bäumen und eine möglichst kreuzungsfreie Radwegeführung,
November 2018 (Anträge zum Haushalt 2019): Fortschreibung der Klimaanalyse, mehr Mittel für die Wässerung von Anpflanzungen und das Auffüllen von Teichen bei großer Trockenheit,
Februar 2019: Schaffung von Wohn- und Gewerbeflächen auf Dächern von Supermärkten (die Verwaltung soll die Möglichkeiten einer intensiveren Nutzung bisher eingeschossig gewerblich genutzter Areale im Hinblick auf zwei- oder mehrgeschossige Aufstockungen bzw. Neubauten prüfen),
März 2019: Herausnahme von landwirtschaftlich genutzte Flächen, Waldflächen, ökologisch wertvollen Grünanlagen, Kleingärten, Landschaftsschutzgebiete und Regionale Grünzüge aus einer weiteren Betrachtung der Flächen des Bürgerforums „Wo wollen wir wohnen?“,
November 2019 (Anträge zum Doppelhaushalt 2020/2021): Finanzierung des Aktionsplans Vögel-, Bienen- und Insektenschutz, Kofinanzierung von Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm Insektenschutz des Bundes, Ersatz von Bäumen an Kitas, Schulen und Sportstätten, Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel, Schaffung von zwei Stellen zur Beratung von Entsiegelung, Begrünung bzw. Regenwasserabkopplung sowie Schaffung von vier Stellen für das städtische Baulückenkataster und die Mobilisierung von Wohn- und Gewerbeflächen durch Aufstockung von Gebäuden.
Im Wahlprogramm der Essener Grünen für die Kommunalwahl am 13. September 2020 wird zum Thema ökologische Stadtplanung folgendes formuliert:
„Wir streben eine Netto-Neuversiegelung von null Hektar im Stadtgebiet an: Flächenversiegelung sollte an anderer Stelle durch Entsiegelung ausgeglichen werden. Neue Wohn- und Gewerbeflächen wollen wir durch die Aufstockung vorhandener Gebäude, die Schließung von Baulücken und durch die Revitalisierung versiegelter Flächen ermöglichen. So wollen wir das bislang ungenutzte Potential heben, das in der Aufstockung von Parkhäusern, eingeschossigen Geschäfts- und Gewerbegebäude sowie in einer anderen Nutzung
von überflüssigen Verkehrsflächen liegt. Landschaftsschutzgebiete, wertvolle Grünflächen, landwirtschaftliche Flächen, der Wald und besonders artenreiche Lebensräume sollen erhalten
bleiben.
Das städtische Baulückenkataster muss aktualisiert und für diese Aufgabe mehr Personal bereitgestellt werden. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft wollen wir finanziell stärken,
damit Allbau noch wesentlich mehr in die Schaffung neuer und die Modernisierung bezahlbarer Mietwohnungen investieren kann. Bei Neubauvorhaben soll das Grünvolumen
als Bewertungsfaktor mit einbezogen werden, um Klimaneutralität zu gewährleisten. Sollte dies auf den Flächen selbst nicht möglich sein, ist an anderer Stelle auszugleichen. Angesichts
von Flächenknappheit wird eine aktive städtische Boden- und Flächenpolitik zum Dreh- und Angelpunkt einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Die Stadt soll gezielt Grundstücke
ankaufen und neu entwickeln. Die Vergabe von Grundstücken soll künftig möglichst im Erbbaurecht erfolgen, damit der Stadt die Grundstücke erhalten bleiben. Vorkaufsrechte
der Stadt sollen konsequent genutzt werden.
Mit einem kooperativen Baulandmodell nach Kölner Vorbild soll ein Instrument für ein strategisches Flächenmanagement geschaffen werden. Die Baulandbereitstellung wird dabei
mittels Baurechtssatzung und städtebaulichen Verträgen an soziale und ökologische Ziele gebunden. Damit verpflichten wir Bauherr*innen, Investor*innen sowie Vorhabenträger*
innen, bei Planvorhaben, die eine Bebauungsplanung benötigen, die städtebaulichen Ziele zu realisieren.
Wir wollen die Öko- und Klimabilanz des Wohnens und Bauens in Essen deutlich verbessern. Dabei sind uns ökologische Standards, energetische Gebäudesanierung und flächensparendes
Bauen besonders wichtig. Für uns geht generell Sanierung und Modernisierung vor Abriss und Neubau. Wir unterstützen innovative Bauformen wie das modulare
Bauen, bei dem vorproduzierte standardisierte Elemente intelligent zu Gebäuden zusammengefügt werden. Auch die Vorteile von Holz als Baustoff (Holzmodulbauweise) wollen
wir geeignet nutzen, denn Bauen mit Holz ist CO2-sparsam und recyclingfähig. Der Einsatz von regionalen Rohstoffen sowie von Recycling (RC)-Beton bringt ökologische Vorteile
und eine positive Klimaschutzwirkung.
Für ein besseres Stadtklima wollen wir mehr ökologisch hochwertige Dach- und Fassadenbegrünungen verwirklichen. In neuen Bebauungsplänen ist festzuschreiben, dass Vorgärten
zu begrünen sind und Versiegelung möglichst gering zu halten ist. Bei der Sanierung und Schaffung von Wohnraum gilt es, verstärkt die Belange des Artenschutzes (insbesondere
Vögel und Fledermäuse) besser zu beachten.“
Ich hoffe, mit dieser umfangreichen Darstellung der bisherigen Aktivitäten der Ratsfraktion
der Grünen sowie der Ziele und Vorhaben der Essener Grünen haben wir Ihnen darstellen
können, wie wichtig uns Ihre Anliegen für einen besseren Umwelt-, Natur- und Klimaschutz
in Essen sind.
Selbstverständlich wollen wir auch weiterhin in einem intensiven Austausch mit Ihnen bleiben.
Wir würden uns daher freuen, wenn wir uns bald (unter Wahrung der coronabedingten
Abstände) wieder persönlich begegnen können.

Mit freundlichen Grüßen

Hiltrud Schmutzler-Jäger (Fraktionsvorsitzende)

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