Haushalt 2023

Haushaltsrede 2023 von Stephan Neumann (Fraktionsvorsitzender)

Haushaltsrede PDF I

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Essener*innen,
Liebe Kolleg*innen,

es ist unschwer zu erkennen: Schule und Klimaschutz sind die dominierenden Themen des Haushaltsantrags der Gestaltungskooperation von CDU und uns Grünen.

Angesichts der immer größer werdenden Herausforderungen von fehlendem Schulraum und unbesetzter Lehrer*innen Stellen sowie einer massiv fortschreitenden Erderwärmung kann das auch nicht anders sein. Alles andere wäre unverantwortlich und wenig vorausschauend!

Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleg*innen, dazu eine kurze Anekdote aus diesem Haus:
Nach einer meiner Reden hier im Ratssaal – es ging mal wieder um das in Essen doch recht zähe Thema Mobilitätswende – raunt mir auf dem Weg zurück zum Platz eine Ratskolleg*in augenzwinkernd zu: „Immer müsst ihr Grünen das Weltklima retten – drunter machst ihr‘s nicht!“

Ja tatsächlich. Drunter machen wir Grüne es nicht: weil es in der Politik in Bund und Land, weil es in der Verwaltung und Politik hier vor Ort in Essen nicht mehr drunter geht.

Die Zukunft der Menschen auf diesem Planeten liegt in unserer Verantwortung. Daran erinnern uns die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von Fridays for Future vollkommen zu Recht.

  • Es waren nämlich wir, die über Jahrtausende gespeichertes CO2 in Form von Steinkohle gefördert haben, um es für die Energie- und Stahlproduktion zu verfeuern und damit das Weltklima anzuheizen.
  • Es sind wir, die bis heute über Jahrtausende gespeichertes CO2 in Form von Braunkohle nicht weit von hier mit gigantischen Schaufelradbaggern wegfräsen, um damit Strom zu erzeugen und damit das Weltklima anzuheizen.
  • Und es sind wir, die bis heute über Jahrtausende gespeichertes CO2 in Form von Benzin und Diesel in unseren Autos verbrennen, um über die viel zu breiten Autobahnen und Autostraßen zu brettern und damit das Weltklima anzuheizen.

Deshalb geht es – gerade auch hier in Essen – um eine verantwortliche und vorausschauende Politik, die heute auch immer Klimapolitik sein muss. Drunter machen wir Grüne es nicht.

Die Realität des Klimawandels, unsere Versäumnisse beim Umstieg auf erneuerbare Energien und eine klimafreundliche Mobilität holen auch uns vor Ort ein. Auf die Jahrhundertflut folgt der Hitzesommer und die Energiekrise infolge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs des Putin-Regimes lässt die Ausgaben für Heizung und Strom explodieren. Das trifft uns als Bürger*innen im Privaten, das trifft Industrie und Gewerbe, das trifft uns als Stadtgesellschaft.

Schwarz auf Weiß wurden uns mit der Haushaltsaufstellung die finanziellen Folgen für die verfehlte Politik der Untätigkeit der vergangenen Jahrzehnte präsentiert: 20 Millionen Euro mehr für Energie, Wärme und Treibstoff im kommenden Jahr! – Tendenz für die Folgejahre: steigend! So steht es im Haushaltsentwurf der Kämmerei. Diese immensen Zusatzkosten sind nicht vom Himmel gefallen. Für uns Grüne steht fest: Wir müssen jetzt handeln, um unseren Beitrag zur Rettung des Klimas zu leisten und gleichzeitig die Finanzen der Stadt nicht noch weiter aus dem Ruder laufen zu lassen. Richtig: drunter machen wir Grüne es nicht!

Entschuldungs-Konzept gefordert

In einer der am höchsten verschuldeten Kommunen in Deutschland werden uns die absehbar steigenden Energiekosten jeden Handlungsspielraum nehmen. Allein schon die aktuell steigenden Zinsen können katastrophale Auswirkung haben. Denn 1,7 Milliarden der städtischen Schulden sind über sogenannte Kassenkredite finanziert. Eine Steigerung um nur 3 Prozentpunkte kostet die Stadt bereits über 50 Millionen Euro. Das macht klar: Wir können uns ohne ein Entschuldungs-Konzept von Bund und Land nicht von diesen Verschuldungsfesseln befreien. Aber nur auf fremde Hilfe zu hoffen und angesichts steigender Energiekosten die Hände in den Schoß zu legen – das ist doch zu wenig!

Solaranlagen, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit

Auf unsere Intervention hin werden nun bis zu zwei Millionen Euro durch Umschichtung von Investitionsmitteln für Solar-Anlagen auf geeigneten Flächen städtischer Gebäude bereit gestellt – vorrangig, um damit den städtischen Energieverbrauch zu decken. Beispielrechnungen, die von 5 bis 6 Jahren Amortisationszeit ausgehen, sprechen für sich.

Das gilt auch für unsere Initiative, die Straßenbeleuchtung innerhalb der nächsten Jahre komplett auf eine zeitgemäße, energiesparende und langlebige LED-Technik umzustellen. So können Stromkosten in Höhe von 4 bis 5 Millionen Euro jährlich eingespart werden. Wichtig ist dabei: Es geht uns nicht darum, Geld aus dem Stadtsäckel für grüne Lieblingsprojekte zu verausgaben, sondern vorausschauend durch Investitionen von heute explodierende Energiekosten und damit Schulden von morgen zu vermeiden. So geht verantwortliche und vorausschauende Haushalts- und Klimapolitik!

Aktionsplan für nachhaltige Energie und Klima der Stadt Essen (SECAP)

Mit dem Aktionsplan für nachhaltige Energie und Klima der Stadt Essen (SECAP) hatte der Rat im September diesen Jahres bereits die wegweisende Strategie beschlossen, um in Essen Klimaneutralität in einem Zielkorridor zwischen 2030 und 2040 zu erreichen. Damit kann Essen seinen Beitrag leisten, um das Klimaziel von Paris zu erreichen: die menschengemachte Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad, aber deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 werden nun weitere wichtige Maßnahmen des SECAP finanziert.

An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich im Namen der Grünen Fraktion beim Kämmerer Gerhard Grabenkamp, den Beigeordneten und Mitarbeiter*innen der Verwaltung für ihre Arbeit und das große Engagement bei der Erstellung dieses Haushaltsplanentwurfs bedanken. Insgesamt rund 8 Millionen haben Sie – liebe Stadtverwaltung – an zusätzlichen Sachkosten für gezielte Klimaschutzmaßnahmen eingestellt. 28 neue Stellen für den Klimaschutz sollen bei der Grünen Hauptstadt-Agentur und in der städtischen Immobilienwirtschaft geschaffen werden, darunter allein 10 Stellen für die energetische Gebäudesanierung.

Die Fraktionen von Grünen und CDU stocken den Etat für Maßnahmen aus dem SECAP nochmals um 2 Millionen Euro auf: So soll für das sehr gut nachgefragte kommunale Solarförderprogramm eine weitere Million und somit drei statt – wie von der Verwaltung vorgeschlagen – zwei Millionen Euro bereit gestellt werden. Das Förderprogramm für die energetische Modernisierung privater Wohngebäude soll ebenfalls um eine Million von 2,7 Millionen auf 3,7 Millionen Euro aufgestockt werden. Beide Programme werden ein Vielfaches an privaten Investitionen und einen Schub für das regionale Handwerk in Essen auslösen.

Neues Abfallwirtschaftskonzept mit Bioabfall-Vergärung

Als Gestaltungskooperation stellen wir zudem 150.000 Euro zur Verfügung, um die Planung für eine Bioabfall-Vergärungsanlage zur Gewinnung von Biogas zeitnah auf den Weg zu bringen. Wir wollen die Energie nutzen, die im Bioabfall unserer knapp 600.000 Bürger*innen schlummert, anstatt weiter nur auf die klimaschädliche Verbrennung von Erd- oder Flüssiggas zu setzen.

Mit dem neuen Abfallwirtschaftskonzept haben wir einen ersten Schritt getan, um die Biotonne auszuweiten. Langfristig wollen wir den Biomüll stadtweit sammeln.

  • So reduziert sich der Abfall in der grauen Tonne,
  • so wird der Geldbeutel der Bürger*innen geschont,
  • so rentiert sich der Betrieb der künftigen Bioabfall-Vergärungsanlage,
  • so werden große Anteile unseres Mülls regenerativ in Energie verwandelt,
  • kurz: So geht verantwortliche und vorausschauende Energie- und Klimapolitik!
Klimaanpassung mit mehr Grün

Der Haushaltsantrag von CDU und Grünen trägt ebenfalls dazu bei, dass weitere wichtige Projekte zur Klimaanpassung – neben den verschiedenen Maßnahmen aus dem Klimaanpassungskonzept – ermöglicht werden. So wird der finanzielle Grundstock für öffentlich zugängliche Trinkwasserbrunnen gelegt. Das hilft nicht nur Abfall zu vermeiden, sondern stellt auch eine wichtige sozialpolitische Maßnahme für ältere Besucher der Innenstadt, für Familien mit Kindern, aber auch für Obdachlose dar.

Durch die Aufstockung des Hof- und Fassadenprogramms können Flächen entsiegelt und eine ökologisch sinnvolle Gestaltung von Hof- und Gartenflächen bezuschusst werden. Die Finanzierung des von CDU und Grünen bereits im letzten Haushalt beantragten 1000-Stadtbäume-Programms findet sich erfreulicherweise bereits im Haushaltsplanentwurf des Kämmerers mit einer Summe von 300.000 Euro für das kommende Jahr wieder.

Mit unserem Haushaltsantrag sorgen wir auch dafür, dass das von CDU und Grünen zum letzten Haushalt angestoßene Grünentwicklungskonzept ausfinanziert wird. Dieses Konzept ist die Grundlage für eine stärkere Begrünung der städtischen Siedlungsgebiete. Im Umweltamt schaffen wir außerdem eine zusätzliche Personalstelle im Bereich der Gewässer-Renaturierung und des Hochwasserschutzes.

So geht verantwortliche Klimaanpassungs- und Sozialpolitik!

Grüne Mobilitätspolitik für Essen

Energiegewinnung ist die eine Seite, auf der wir in Essen besser werden müssen, Energie-Einsparung und Reduzierung unseres immensen CO2-Ausstoßes ist die andere.

Deutschland hat zwischen 2013 und 2020 seine Klimaziele krachend verfehlt, insbesondere im Gebäudebereich, aber vor allem auch im Verkehrsbereich. Die Folge: Strafzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe an die EU. Auch hier gilt: Wir sind für diesen Millionenschaden unserer Volkswirtschaft mitverantwortlich.

Es ist doch eine schallende Ohrfeige für uns als Grüne Hauptstadt Europas, wenn von unseren Strafzahlungen jetzt in Ungarn, Bulgarien und Tschechien Elektrobusse angeschafft werden. Bei der Frage nach der Verantwortung dafür gilt das Sprichwort: Wenn wir mit einem Finger auf andere zeigen, zeigen drei der fünf Finger auf uns – auf Essen. Denn mehr als 50 Prozent der Wege werden in Essen nach wie vor mit dem Auto zurückgelegt und das liegt nicht an den Bürger*innen – ganz im Gegenteil: immer mehr Essener*innen satteln um und sind trotz vollkommen unzureichender Radwege auf zwei Rädern unterwegs. Es liegt vielmehr an der vollkommen verfehlten Verkehrsplanung im Sinne einer autogerechten Stadt in den vergangenen Jahrzehnten.

Leider diskutieren wir hier noch immer bei jedem Parkplatz, der für einen Radweg oder für die Beschleunigung von Bus und Bahn weichen muss, über den Abschied von dieser falschen Mobilitätspolitik. Währenddessen machen uns zahlreiche Städte in Deutschland, Europa und der Welt vor, wie lebenswerte, menschengerechte Stadt- und Mobilitätsplanung aussieht.

18 Kilometer Radwege für Essen

Um hier wenigstens den Anschluss nicht zu verlieren, um unsere Fahrradfahrer*innen im posenden und tosenden Autoverkehr nicht allein zu lassen, und um die ÖPNV-Nutzer*innen beim Warten auf den Bus nicht weiter im Regen stehen zu lassen, krempeln wir mit der Verwaltung die Ärmel hoch und werden konkret: 18 Stellen sind zur Umsetzung des RadEntscheids inzwischen besetzt. Auch die erforderlichen Investitionsmittel stehen bereit. Es ist nicht nur unsere grüne Erwartung, sondern wir werden sehr genau darauf achten, dass wir 2023 die anvisierten 18 Kilometer Radwege von der Verwaltung vorgelegt bekommen und politisch hier im Rat entscheiden.

100.000 Euro und eine halbe Personalstelle stellen wir mit unserem Haushaltsantrag für die Ausweitung des Bewohner*innen-Parkens bereit. Seit 10 Jahren können somit wieder neue Bewohner*innen-Parkzonen in Essen ausgewiesen werden. Eine weitere halbe Stelle soll sich um Planung und Bau von Quartiersparkhäusern kümmern. Damit schaffen wir die Voraussetzung, dass der Parkdruck sinkt und Gehwege nach und nach von parkenden Autos befreit werden. Ein Riesenschritt für den vernachlässigten Fußverkehr.

200.000 Euro für bessere Verkehrsflächenplanung

Mit 200.000 Euro stärken wir als Gestaltungskooperation die generelle Verkehrsplanung, damit Verkehrswege im Sinne des vom Rat beschlossenen Modal Split geplant und umgeplant werden, wonach 2035 75 Prozent der Wege zu Fuß, mit dem Rad und dem Öffentlichen Nahverkehr und nur noch 25 Prozent mit dem Auto zurückgelegt werden. Das bedeutet: die zur Verfügung stehende Verkehrsfläche wird von außen nach innen verteilt: zuerst für den Fußverkehr, dann für den Rad- und Öffentlichen Nahverkehr und dann für den Autoverkehr. Dabei wird es Kompromisse geben, aber entscheidend ist, dass unsere Verkehrsplaner*innen die richtige Brille aufsetzen.

360.000 Euro stellen wir bereit, um Busse und Bahnen in Essen zu beschleunigen. Angesichts der Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene kann dieses Geld von der Ruhrbahn und der Stadtverwaltung vervielfacht werden, damit Busse und Bahnen an digitalen Ampeln als erste durchstarten und auf eigenen Trassen freie Fahrt haben. Denn nur schnelle Verbindungen und reibungslose Umstiege von einer Linie auf die andere werden unsere Bürger*innen zum Einstieg in den ÖPNV überzeugen. Das ist verantwortliche und vorausschauende Mobilitäts- und Klimapolitik!

Citybahn und Lückenschluss der B224

Der Baubeginn der Citybahn in diesen Tagen ist ein ermutigendes Signal: Eine neue Straßenbahnlinie ist ein klares Bekenntnis zum Öffentlichen Nahverkehr und schafft endlich eine schnelle und direkte sowie umwelt- und klimaschonende Verbindung von Steele und der Innenstadt nach Frohnhausen, Altendorf und das neue Quartier 51.

Der damit verbundene Lückenschluss der B224 ermöglicht uns den Abschied von der autogerechten Fehlplanung unserer Innenstadt. Dafür ist es höchste Zeit. Denn die bislang vorwiegend auf Konsum ausgerichtete Innenstadt droht, an diesem Ring aus Blech und Lärm um sie herum, zu Grunde zu gehen. Auch wenn sich so manche Fraktion im Rat heute nicht mehr daran erinnern kann oder will, doch auch Sie tragen eine Mitverantwortung für den bis heute anhaltenden Stillstand in Sachen Mobilitätswende.

Citybahn und Lückenschluss der B224 bieten die Chance, den Autoverkehr auf dem inneren Innenstadtring auf eine Fahrspur je Richtung zu reduzieren. So entsteht der Platz für ein sicheres Fortkommen von Fuß- und Radverkehr und die Beschleunigung der Busse. So wird zudem die Aufenthaltsqualität immens gesteigert. Denn dann können wir die Trennung der Innenstadt vom politischen Zentrum rund ums Rathaus, vom wissenschaftlichen Zentrum rund um die Universität, von den kulturellen Zentren um die Folkwang-Musikschule einerseits sowie Aalto-Theater, Philharmonie und Museum Folkwang andererseits endlich beenden.

Keine Frage: bis es so weit ist, brauchen wir Zeit. Aber wir müssen jetzt in die Planung einsteigen. Dass heute die Emscher als sauberer Fluss in den Rhein mündet, verdanken wir den Menschen, die mutig gegen alle Pessimist*innen in den 90er-Jahren die Planungen dafür begonnen haben. Damit morgen Essens Innenstadt und Stadtteilzentren zu lebenswerten Aufenthaltsräumen werden, die Wohnen, Kultur, Bildung und Austausch verbinden, müssen wir heute mutig die Planungen beginnen. So geht verantwortliche und vorausschauende Planungs- und Klimapolitik!

Die größte Entwicklungsfläche für neues und auf Zukunft aufbauendes Gewerbe bietet das Gebiet Freiheit Emscher. Die Planungen müssen sich daran ausrichten, Wohnen und Arbeiten zu verbinden und die umwelt- und klimafreundliche Mobilität zum Standard zu machen. Das heißt auch, die Gladbecker Straße nicht weiter mit zusätzlichem Auto- und LKW-Verkehr zu belasten, sondern durch eine Ortsumgehung Altenessen mit Anschluss an den Berthold-Beitz-Boulevard zu entlasten. Wir erwarten von dem von uns beauftragten Verkehrsgutachten Wege, wie der Durchgangsverkehr auf der Gladbecker Straße reduziert, ja beendet werden kann. Stadt- und Mobilitätsplanung sind wie Umwelt- und Klimaschutz hochwirksame Sozialpolitik. Denn unter Lärm und Umweltverschmutzung leiden immer die sozial schwächer aufgestellten Menschen am meisten. Eine verantwortliche und vorausschauende Planungs- und Klimapolitik ist eben immer auch eine verantwortliche und vorausschauende Sozialpolitik.

Mehr Wohnraum für Senioren

Dafür steht auch das von uns angestoßene Handlungskonzept Wohnraum für Senior*innen. 160.000 Essener*innen – also mehr als 27 Prozent, im Süden sind es sogar bis zu 40 Prozent – sind älter als 60 Jahre, aber nur 4 Prozent der Wohnungen sind barrierefrei. Wir wollen seniorengerechten, barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum für Senioren im jeweiligen Quartier schaffen. Dadurch entsteht in den angestammten, nicht-barrierefreien, großen Wohnungen oder Einfamilienhäusern neuer Wohnraum für Familien. Und das, ohne neue Baugebiete auszuweisen und neu zu bauen.

Damit reagieren wir auf den demografischen Wandel. Das gilt auch für die Pflegeausbildungskooperation, für die wir fehlende Mittel im Haushalt eingestellt haben. Wir werden den Fachkräftemangel in der Pflege und Altenhilfe nicht allein mit mehr Ausbildung bei uns beheben. Wir brauchen Menschen, die zu uns kommen. Nach der erfolgreichen Pilotphase mit vorqualifizierten Pflegekräften aus dem Kosovo werden wir in Abstimmung mit verschiedenen Organisationen die Ausbildung von diesen Pflegekräften weiterführen. Dies ist ein wichtiger Baustein, um die Versorgung alter und pflegebedürftiger Menschen zu sichern und bestehende Ausbildungskapazitäten zu nutzen. Das soll aber keine Einbahnstraße sein: Wir intensivieren den Wissens-Transfer und den Austausch mit dem Kosovo.

Ausländerbehörde

Überhaupt müssen wir beim Umgang mit Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – zu uns kommen, besser werden. Deshalb erhält die kommunale Ausländerbehörde zwei neue Personalstellen und 300.000 Euro zusätzlich, um sowohl die Dienstleistungsqualität für die Kund*innen als auch die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen nachhaltig zu verbessern. In unserer Stadt, in der die Frage bei nahezu allen Menschen nicht lautet, ob, sondern nur, wann sie zu uns gekommen sind, um Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu bereichern und voranzubringen, war und ist eine gelungene und den Menschen zugewandte Integration ein existentieller Standortvorteil. Es ist unser aller Interesse, dass Fachkräfte nach Essen kommen wollen und dass Menschen, die etwa als Flüchtlinge bei uns Schutz suchen, auf offene Arme und einen offenen Arbeitsmarkt treffen. Das ist verantwortliche Sozial-, Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik!

Kinder-Betreuung

Fehlende und nicht passgenaue Betreuungsstrukturen verhindern nach wie vor auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, insbesondere von Alleinerziehenden. Wir brauchen neben dem Regelangebot auch Kinder-Betreuung außerhalb der normalen Kita-Öffnungszeiten. Mit 50.000 Euro ermöglichen wir dem Träger des Projektes „Sonne, Mond und Sterne“, das Angebot auszuweiten und die Betreuer*innen besser zu bezahlen, um so trotz des Fachkräftemangels auch in diesem Bereich mehr Personal zu gewinnen. Daraus folgt: Mehr Plätze für Kinder senken das Armutsrisiko von Alleinerziehenden, die dann zum Beispiel als dringend benötigte Pflegekräfte ihr Leben und das ihrer Kinder selbstständig und selbstbewusst bestreiten können. Essen übernimmt mit diesem Modellprojekt eine Vorreiterrolle und die wollen wir stärken.

Antidiskriminierungs- und Gleichstellungspolitik

Die Vielfalt in unserer Stadt ist eine Bereicherung, aber kein Selbstläufer. Wir wollen eine aktive Antidiskriminierungs- und Gleichstellungspolitik fördern,

  • die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt konsequent einbezieht,
  • Akteur*innen in Haupt- und Ehrenamt (weiter) vernetzt
  • und queeres Engagement moderiert,

damit die Sicherheit und Lebensqualität von LSBTI in unserer Stadt steigt.

Dafür stellen wir

  • 20.000 Euro als Budget für die Koordinierungsstelle LSBTI zur Verfügung,
  • 15.000 Euro für ein zeitgemäßes Handlungskonzept sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, das mit der Community selbst erarbeitet wird,
  • 20.000 Euro stehen künftig als Sockelfinanzierung für den Christopher Street Day bereit. Die politische Veranstaltung ist längst ein Fest für die Community in einem toleranten und weltoffenen Essen geworden, das zeigt: queeres Leben hat seinen Platz im Herzen unserer Stadt.
  • Und mit 40.000 Euro ermöglichen wir dem Verein Lebenslust des Sozialvereins für Lesben und Schwule eine zentrale Beratungsstelle aufzubauen mit einem psychosozialen, generationenübergreifenden Angebot für alle LSBTI.

So geht vorausschauende und verantwortliche Politik für eine vielfältige und offene Stadt!

Kinder und Jugendliche stärken

Und das bleibt diese Stadt nur, wenn wir in die Jugend, ihre Entwicklung, ihre Kultur, ihre Teilhabe, investieren. Denn Jugend will mitbestimmen. Und Jugend muss stadtweit mitbestimmen! Deshalb weiten wir das erfolgreiche Beteiligungsformat Mitwirkung mit 40.000 Euro auf einen weiteren Bezirk aus. Dann sind es mit den Bezirken 3, 4, 6, 7 und 8 insgesamt sechs. Wir halten unsere Zusage, am Ende der Ratsperiode mit den Jugendforen Jugendliche stadtweit zu beteiligen. Zudem haben wir die 15.000 Euro für die von uns initiierte, jährliche Veranstaltung zur Jugendbeteiligung auf 30.000 Euro verdoppelt. Wir wollen, dass sich Jugend in unserer Stadt einmischt und mit ihrer Kritik und ihren Anregungen sichtbar wird.

Stadtweit investieren wir auch in die Sanierung der Infrastruktur von Jugendeinrichtungen: 250.000 Euro für das Dach der Reithalle der Jugendfarm im Norden unserer Stadt und 80.000 Euro für den Sportplatz des Emil-Frick-Hauses der Jugendhilfe nahe des Baldeneysees. Und auch die 200.000 Euro für die Planung zur Neugestaltung der „Für-Alle-Sportanlage“ Schillerwiese kommen anteilig der Jugend zugute.

Ein wichtiger Schlüssel, um Kinder stark und selbstbewusst zu machen, aber auch Integration und Inklusion zu fördern, ist die kulturelle Bildung. Dem Übehaus Kray stellen wir deshalb zusätzlich 40.000 Euro zur Verfügung, damit noch mehr Kinder und Jugendliche von den inklusiven und integrativen kulturellen Bildungs-Angeboten profitieren: von der Musikwerkstatt bis zum Community Orchestra, vom Kinderkonzert bis zum Ferienprojekt.

Kultur in Essen

Ein über Essen hinaus strahlendes Highlight der Jugendkultur war auch immer das Pfingst-Open-Air im Werdener Löwental. Mit dauerhaft zusätzlichen 100.000 Euro sorgen wir dafür, dass lokale Bands am Ufer der Ruhr nach der Corona-Zwangspause 2023 wieder musikalisch durchstarten können und der Fortbestand des Festivals politisch gesichert ist.

Mit zusätzlichen 300.000 Euro heben wir den Etat der Projektförderung für die freie Szene auf fast eine halbe Million Euro. Die Szene leidet einerseits unter Long-Covid, andererseits ist eine Projektförderung von weniger als 200.000 Euro einer Kultur-Hauptstadt und Folkwang-Stadt schlicht unwürdig!

Ein Gesamtkonzept „Kulturelle Bildung“ wird aktuell auf Antrag der Gestaltungskooperation erarbeitet. Damit das Kulturamt für all diese Aufgaben auch Kapazitäten hat, schaffen wir eine zusätzliche Stelle.

Doch nicht nur im Kulturbereich stehen wir durch die Auswirkungen der Pandemie noch immer vor immensen Herausforderungen. Am Montag hat der Deutsche Ethikrat mit einer gehörigen Portion Selbstkritik eingeräumt, dass Jüngere in den vergangenen drei Jahren bereitwillig Solidarität bei der Vermeidung von Corona-Ansteckungen gezeigt hätten. Eine „solidarische Antwort“ auf die Notlagen von Kindern und Jugendlichen sei aber bislang ausgeblieben. Während andere Parteien hier im Rat das Programm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ erst einmal in Ruhe evaluieren lassen wollen, handeln wir. Denn Schuleingangsuntersuchungen lassen keinen Zweifel daran, dass die Angebote der Post-Corona-Strategie enorm wichtig sind, um etwa die Sprachkompetenzen und die Motorik der Schüler*innen zu fördern. Wir sichern mit 120.000 Euro, dass es weiter geht.

Bessere Bildung für Essen

Gute Bildung für alle Kinder ist eines unserer zentralen Anliegen. Und Corona hat nur die generelle Misere im Schul- und Bildungsbereich verschärft. Fehlende Klassenräume und Schulen, unbesetzte Lehrer*innen-Stellen in allen Schulformen legen schonungslos das Versagen der letzten Jahrzehnte auf allen politischen Ebenen offen. Und da muss keine Partei mit dem Finger auf die andere zeigen. Uns allen war die Zukunft der kommenden Generation zu wenig wert!

Anstatt nur nach Land und Bund zu rufen, handeln wir. Die Planung neuer Schulgebäude und die Erweiterung bestehender werden wir beschleunigen. Dazu schaffen wir zwei Stellen im Projektmanagement für den Schulneubau: eine im Planungsamt, eine im Schulamt. Wir stellen der Planungs- und Schulverwaltung zusätzlich 400.000 Euro an Planungsmitteln für Schulneubauten zur Verfügung sowie 350.000 Euro für den Rückbau – also Abriss – maroder, nicht mehr instand zu setzender Schulgebäude.

Doch auch die personellen Voraussetzungen müssen dringend verbessert werden: Ein erster Schritt waren die beiden zusätzlichen Schulsozialarbeiter*innen für 2022. Uns Grünen war es ein besonderes Anliegen, für 2023 vier weitere neue Stellen in der Schulsozialarbeit zu schaffen sowie zwei neue Stellen am Jugendpsychologischen Institut, das bereits signalisiert hat, dass die Stellen umgehend besetzt werden können. Damit Lehrer*innen und Direktor*innen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden und sich ihren pädagogischen Aufgaben widmen können, erhöhen wir zudem die Stundenkontingente in den Schulsekretariaten. Mit dem Einsatz von multiprofessionellen Teams an den Schulen verbessern wir so insgesamt die Lernbedingungen unserer Schüler*innen.

Wer jetzt ruft, das ist doch alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das reicht doch alles nicht, den kann ich nur fragen: Was ist denn die Alternative? Wie in den letzten Jahrzehnten einfach blindlings auf den bildungspolitischen Abgrund zurasen? Wir stemmen uns dagegen. Wir wollen das Ruder rumreißen. Wir krempeln die Ärmel hoch und ziehen den Karren aus dem Morast des Wegsehens und Nichtstuns.

Wir nehmen die Verantwortung für die Zukunft der kommenden Generation an. Wir nehmen die Verantwortung für den einen Planeten an. Wir wollen einer gut gebildeten kommenden Generation einen bewohnbaren Planeten übergeben. Ja: Drunter machen wir Grünen es nicht und deshalb atmet der Haushaltsantrag der Gestaltungskooperation diesen Geist!

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